Erfolgskletterin Angela “Angy” Eiter im Fokus
Angela „Angy“ Eiter zählt zu den erfolgreichsten Kletterinnen weltweit. Die Tirolerin sicherte sich unzählige Europa- und Weltmeistertitel. Vor mehr als einem Jahrzehnt wechselte sie vom Wettkampf- zum Felsklettern und löst seither die Rätsel der Natur.
Angela Eiter wächst mit dem Klettern in Imst in Tirol auf. Gemeinsam mit ihrem Vater ist sie von klein auf in den Bergen unterwegs. Als die heute 38-Jährige von der Volksschule in die Hauptschule wechselt, schlägt ihr eine Pädagogin vor, das Freifach Sportklettern zu wählen. Die damals Elfjährige entdeckt bereits in der ersten Stunde ihre Liebe und Faszination für den Sport, denn er fordert von ihr weit mehr als nur körperliche Stärke: „Beim Wandern gehe ich monoton dahin. Beim Klettern muss ich viel überlegen: Wo greife ich hin? Wo steige ich hin? Es ist wie ein Kreuzworträtsel für mich“, beschreibt Eiter.
Wettkämpfe von klein auf
Mit elf Jahren bestreitet sie ihren ersten Wettkampf bei den Westtiroler Meisterschaften in Landeck. Nach der Hauptschule wechselt sie an das Sportgymnasium in Innsbruck. Dort bekommt Eiter nicht nur einen neuen Trainer, sondern trainiert auch intensiv mehrmals am Tag. 2001 – mit 15 Jahren – wird sie zur Jugendvizeweltmeisterin gekürt. Ein Jahr später feiert sie bereits Erfolge als Tiroler Meisterin, Staatsmeisterin und Jugendeuropacup-Gesamtsiegerin. Es folgen der Sieg im Lead-Weltcup, bei den Weltmeisterschaften in München sowie bei den World Games.
Doch dann ein Schicksalsschlag: Eine schwere Schulterverletzung wirft die Sportlerin zurück. Sie wird operiert und erfährt von den Ärztinnen und Ärzten: Im Hochleistungsbereich kann sie nicht mehr klettern. Doch Angela Eiter lässt sich nicht entmutigen und beweist das Gegenteil mit Unterstützung des Red-Bull-
Athletenteams: 2012 holt sie in Paris ihren vierten Weltmeistertitel. 14 Jahre lang klettert Angela Eiter erfolgreich bei Wettkämpfen mit. Mit 27 Jahren beschließt sie: Ich höre auf. Aber nicht ganz, denn die Tirolerin wechselt in die Natur – und an den Felsen. Das hat einen besonderen Reiz für sie, denn jeder Felsen ist anders beschaffen: „Keine Route ist mit einer anderen vergleichbar. Manche Felsen sind komplexer als andere. Ich muss nicht zwischen den Zeilen lesen, sondern zwischen den Zügen“. 2017 gelingt Angela ein Rekord: Mit der Route „La Planta de Shiva“ in Andalusien in Spanien klettert sie als erste Frau eine Route mit dem Grad 9b.
Zehen bis Fingerspitzen
Vor einigen Jahren gründete Angela Eiter eine Kletterschule in ihrer Heimatgemeinde Imst. Jung und Alt möchte sie dort ihre Begeisterung für den vielseitigen Sport mitgeben. In den Kletterhallen in Imst nutzt sie das fertige Routenangebot. Am Felsen entwickelt sie jedoch gelegentlich selbst neue Routen. Mit Haken und Bohrmaschine ausgestattet, überlegt sie sich immer wieder neue Routen. „Es macht für mich einen großen Reiz aus, am nackten Felsen eine Route zu finden.“ Und noch etwas beweist Angela Eiter: Dass auch kleine, zierliche Frauen dieselben Routen schaffen können wie größere Frauen und Männer. Denn sie selbst ist mit 1,54 m Körpergröße vergleichsweise klein. Dass das Klettern für viele Menschen der ideale Sport ist, davon ist Angela Eiter überzeugt: „Klettern ist gesund, weil es den ganzen Körper trainiert – von den Zehen bis zu den Fingerspitzen. Man baut überall Muskeln auf und schult seine Beweglichkeit.“ Doch nicht nur der Körper wird gefordert: Es ist ein kopflastiger Sport, bei dem man im Vorfeld die Route planen und jeden Schritt gut überlegen muss. Und auch eine soziale Kompetente hat das Klettern: „Ich muss Verantwortung übernehmen für meinen Partner, den ich sichere.“ Beim Klettern spürt sie intensiv, wie sie sich in Routen bewegt. Man muss abwägen, wann es gefährlich wird. Durchhaltevermögen und Konsequenz sind gefragt. Wenn Angela Eiter einen Felsen hinaufklettert, vergisst sie Zeit und Raum und konzentriert sich nur auf diese eine Sache. Menschen, die mit dem Klettern beginnen möchten, empfiehlt Eiter, zunächst eine Stunde bei einem Klettertrainer zu buchen. Dabei lernt man die Grundtechniken und das Sichern. Dann eignet sich im nächsten Schritt eine Kletterhalle am besten dafür, das erste Mal die Wände hochzuklettern.
Klettern ist Problemlösen
Auch wenn Angela Eiter schon auf der ganzen Welt geklettert ist, ist sie gerne zuhause in Imst. Die Muttekopfhütte ist jener Ort, an dem sie sich besonders wohlfühlt. Wohin sie reist, um zu klettern, überlegt sich Angela Eiter der Umwelt zuliebe gut. In naher Zukunft gibt es ein Projekt in der Nähe von Imst, das sie gerne klettern möchte. Und auch Kurse möchte Eiter wieder vermehrt anbieten. Über ihre große Leidenschaft hat Eiter auch ein Buch geschrieben: 2019 veröffentlichte sie ihre Biografie „Alles Klettern ist Problemlösen – Wie ich meinen Weg nach oben fand“.
Text: Daniela Rittmannsberger⎪Fotos: beigestellt, © Bernie Rüch