So verreist Niederösterreich

Ob langer Urlaub, Wochenende im Hotel oder spontaner Tagesausflug, im Sommer lautet die Devise: Raus aus dem alltäglichen Trott. GESUND & LEBEN hat Niederösterreicherinnen und Niederösterreicher nach ihren persönlichen Kraftorten und Sommerplänen gefragt.

Salzwasser schmecken, Eis essen, Sand aus feuchten Handtüchern schütteln. Sich über Blasen an den Füßen ärgern, und trotzdem weiterwandern. Kulinarische Neuentdeckungen machen, Fremdsprachenkenntnisse auffrischen. Die Füße in den kühlen Gebirgsbach stecken, gegen die Kinder beim Uno-Spielen verlieren, die dicksten Bücher lesen. Sich selbst von brütender Hitze nicht vom Sightseeing abbringen lassen und zum Verschnaufen Eistee im Café trinken. Im Sommer ist all das möglich, und noch viel mehr. Ob dreiwöchige Urlaubsreise, ein Wochenende im Hotel oder ein spontaner Tagesausflug: Hauptsache raus aus dem alltäglichen Trott. Ohne Auszeiten vom Alltag füllt sich der Energietank nicht. Körper und Geist brauchen Zeiten der Erholung, um wieder leistungsfähig zu sein. Mit mindestens 25 vorgeschriebenen Urlaubstagen im Jahr ist Erholung sogar im Gesetz verankert, der Arbeitgeber darf Urlaubstage – anders als Überstunden – nicht ausbezahlen.

„Nach einem Urlaub fühlt man sich im besten Fall nicht mehr müde, hat subjektiv das Gefühl, wieder belastbarer zu sein, schläft besser und hat weniger körperliche Beschwerden“, sagt der Gesundheitspsychologe und Erholungsforscher Gerhard Blasche. Bereits am ersten freien Tag beginne die Regeneration, vollständig erholt sei man abhängig von der vorausgegangenen Belastung nach fünf bis zehn Tagen. Fast zwei Drittel der Österreicherinnen und Österreicher fahren im Sommer weg, um sich zu erholen – abgesehen von Destinationen im Inland sind Italien und Kroatien die beliebtesten Reiseziele. Unbedingt notwendig für den Erholungseffekt ist eine Reise aber nicht. „Ein Ortswechsel kann zwar helfen, sich auch gedanklich vom Alltag zu distanzieren und lässt dieses typische ‚Urlaubsfeeling‘ leichter aufkommen. Urlaub zu Hause ist trotzdem gut möglich“, sagt Blasche. Man müsse ihn nur etwas bewusster planen. Mit einem Frühstück im Lieblingscafé zum Beispiel, neu gekaufter Lektüre oder etwas Sightseeing in der Umgebung.  Ob daheim oder unterwegs: Arbeiten sollte man in den Ferien nicht. „Wenigstens ein paar Tage sollte man nicht erreichbar sein und keine Mails checken“, empfiehlt Blasche. Stellt sich nur noch die Frage: Stadt oder Natur? Strand oder Berge? Aktivurlaub oder faulenzen? So verschieden Menschen und ihre Vorlieben sind, so unterschiedlich verbringen sie ihren Urlaub. Einzig Extreme wie jede Nacht bis zum Morgengrauen feiern oder tagelang gar nichts tun würden der Erholung eher nicht dienen, sagt Blasche. Ansonsten gilt: „Es hängt sehr stark von den individuellen Neigungen ab, was in den Ferien guttut. Wichtig ist einfach, den eigenen Interessen nachzugehen und zufrieden zu sein, bei dem, was man macht.“

Gerhard Blasche, Gesundheitspsychologe und Erholungsforscher

BUCHTIPP

Gerhard Blasche: Erholung 4.0.
Warum Erholung wichtiger ist denn je

Warum Erholung so wichtig ist, wie sich Überlastung auswirkt und wie man in unserer digitalen Gesellschaft den Weg zu einem aus- geglichenen Alltag findet, zeigt der Psychologe Prof. Dr. Gerhard Blasche.
ISBN: 978-3-990021156

 

Unser Kraftort: der Michelberg

„Während des ersten Lockdowns haben wir den Michelberg entdeckt, den wir mit dem Auto von uns zu Hause in zehn Minuten erreichen. Immer wieder sind wir an diesem Hügel mit der kleinen Kirche vorbei- und einmal auf gut Glück hingefahren. Stück für Stück haben wir die ganze Gegend dort erkundet, auch den Rohrwald hinter dem Michelberg, und haben oben am Gipfel den Ausblick genossen. Es tut gut, mit den Kindern einmal nicht auf den immer gleichen Spielplatz zu gehen, sondern mit so einem Ausflug ein bisschen aus dem Alltag auszubrechen. Wir merken, dass wir uns in der Natur am besten erholen, und es ist uns auch wichtig, den Kindern zu vermitteln, wie schön es draußen ist. Manchmal muss man sie stärker motivieren. Wandern geht dann gut, wenn wir ein schönes Ziel haben, wenn sie wissen, dass es oben was Gutes zu essen gibt oder dass wir Drachen steigen lassen. Am Michelberg haben sie sich sogar ein eigenes Fangenspiel ausgedacht. Es gibt dort Ausgrabungen einer alten Kirche, deren frühere Grundrisse mit bunten Farben am Boden aufgezeichnet sind. Die verschiedenen Farben haben beim Fangen unterschiedliche Bedeutungen für die Kinder. Ausflüge machen wir auch oft zu den nahen Schwedenhöhlen, auf den Waschberg oder zu einem der vielen Ziele, die man mit der Niederösterreich-Card besuchen kann.“

Veronika und Matthias Unseld mit Anastasia, Leonhard und Konstantin, Stockerau


Pilgern bei jedem Wetter

„Im August pilgere ich bereits zum 18. Mal von Retz nach Mariazell. Sechs Tage lang bin ich mit einer Gruppe von zehn bis fünfzehn Personen zu Fuß unterwegs. Bei jedem Wetter. Wir marschieren in der größten Hitze, manchmal auch den ganzen Tag im Regen. Die Quartiere entlang der Strecke waren bis zur Pandemie denkbar einfach. Wir schliefen in einfachen Matratzenlagern in einer betonierten Garage, genauso wie am Heuboden bei den Bauern am Weg. Wenn das Heu schon eingebracht war, duftete es wunderbar, sonst lagen wir auf staubigem Stroh. Aufgrund der Pandemie haben wir manche Quartiere gewechselt. Die Tagesetappen sind zum Teil sehr lang, am zweiten Tag zum Beispiel starten wir bereits um 4 Uhr früh, weil wir 40 Kilometer schaffen wollen. Auf der Strecke begegnen wir auch anderen Pilgern, da wird schon einmal der Retzer Wein miteinander geteilt. Es ist spannend, sechs Tage lang mit Menschen unterwegs zu sein, mit denen man nicht unbedingt zusammen in den Urlaub fahren würde. Das gemeinsame Ziel Mariazell verbindet uns. Jedes Jahr freue ich mich auf die, die ich kenne, und genauso auf jene, die ich neu kennenlerne. Im Gehen vertrauen wir einander manches aus unserem Leben an. So wachsen wir zu einer Pilgergemeinschaft zusammen. Ein erhebendes Gefühl ist es, beim Gnadenbild in Mariazell anzukommen und zu wissen: Den ersten Schritt habe ich aus meinem Haus gemacht, den letzten in die Basilika in Mariazell. Dazwischen liegen 190 Kilometer, körperliche Grenzerfahrungen, schöne Augenblicke, wunderbare Landschaftsbilder, kleine Hoppalas, herzhaftes Lachen, manchmal auch Tränen, wunderbare Begegnungen, tiefe spirituelle Erfahrungen. Und ich weiß wieder: Allein hätte ich den Weg nicht geschafft!“

Renate Trauner, Zellerndorf


Text: Sandra Lobnig | Fotos: Barbara Nidetzky, Privat
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