Eine Rose mit Dornen
Sie ist nicht nur schmerzhaft – die Gürtelrose kann auch zu schwerwiegenden Komplikationen führen. Dermatologe Rainer Kunstfeld und Moderatorin (und Betroffene) Martina Rupp erläutern, warum rasche Behandlung wichtig ist und wieso die Impfung ab dem Alter von 50 auf dem Programm stehen sollte.
Fast jeder von uns trägt es in sich, doch die wenigsten wissen es: Das Varizella-Zoster-Virus schlummert in jedem, der bereits einmal an Feuchtblattern (auch als Windpocken oder Schafblattern bezeichnet) erkrankt ist. Unter den über 50-Jährigen sind das hierzulande 99 Prozent. Der Erreger aus der Familie der Herpesviren, der im Erstkontakt die meist harmlose Kinderkrankheit auslöst, kann als Spätfolge zur wesentlich ernsteren Gürtelrose führen. Dennoch ist in der Gesellschaft wenig über diese Krankheit bekannt. „So ging es mir auch, bis ich selbst daran erkrankte“, erzählt Martina Rupp. „Obwohl ich mich auch beruflich mit Gesundheitsthemen befasste, war dieses Thema für mich ganz weit weg,“ so die langjährige TV- und Radiomoderatorin. Vielen geht es ähnlich, wie eine Umfrage der Ipsos Marktforschung belegt: Rund drei Viertel der Befragten halten es für unwahrscheinlich, diese Erkrankung im Laufe ihres Lebens zu entwickeln. In der Realität sieht es anders aus: Jährlich erhalten rund 30.000 Österreicherinnen und Österreicher diese Diagnose.
„Mein Ziel ist, einerseits Aufklärung über die Krankheit zu schaffen, aber auch auf die Prävention aufmerksam zu machen. Gürtelrose lässt sich nämlich vermeiden, wenn man sich impfen lässt!“
Ausbruch durch schwächeres Immunsystem
„Mit steigendem Alter nimmt das Risiko rapide zu und ab dem 55. Lebensjahr kommt es zu einem sprunghaften Anstieg der Häufigkeit von Gürtelrose“, erläutert Univ.-Prof. Dr. Rainer Kunstfeld, Facharzt für Dermatologie in Wien. Verantwortlich dafür ist die sogenannte Immunseneszenz – vereinfacht gesagt: Mit zunehmendem Alter wird das Immunsystem schwächer. „Das Varizella-Zoster-Virus bleibt nach dem Erstkontakt und dem Ausbruch von Feuchtblattern in den Rückenmarknervenstrukturen, den sogenannten Spinalganglien. Dort kann es über Jahre und Jahrzehnte schlummern, denn es wird vom Immunsystem in Schach gehalten“, erklärt der Mediziner. Nimmt die Effizienz unserer Immunabwehr im Alter ab, kann es zu einer erneuten Aktivierung des Virus in Form der Gürtelrose kommen. So war es auch bei Martina Rupp. „Ich dachte zuerst, es ist eine Sommergrippe“, blickt sie auf den Ausbruch der Erkrankung im Jahr 2018 zurück. „Ich fühlte mich sehr erschöpft und antriebslos, aber ich dachte über Wochen, das wird schon wieder.“ Wie ihr ergeht es vielen Betroffenen, denn: Die Vorboten der Nervenerkrankung zeigen sich in unterschiedlichen und uncharakteristischen Symptomen. „Sie können von Brennen, Kribbeln und Jucken bis zu Schmerzen und Erschöpfung reichen, deshalb ist die Diagnose im sehr frühen Stadium schwierig“, bestätigt auch Kunstfeld. „In meinem Fall habe ich schließlich Schmerzen unter dem linken Arm gespürt und zuerst an eine Herzerkrankung oder Brustkrebs gedacht“, so Rupp, die dann ihre Ärztin aufsuchte. „Ich habe meine Symptome beschrieben und sie hat nach Veränderungen an der Haut gefragt. Ich hatte den Ausschlag bis dahin nicht bemerkt, aber tatsächlich zeigten sich kleine rote Punkte unter dem Arm, auf den Rücken ausstrahlend. Da wusste sie sofort, dass es sich um eine Gürtelrose handelte“, so Rupp.
Frühe Behandlung verhindert Komplikationen
Spätestens dann, wenn sich Hautveränderungen bemerkbar machen, sollte man die Symptome ärztlich abklären lassen, rät auch Kunstfeld, denn: Wird die Erkrankung rechtzeitig mit antiviralen Medikamenten – meist in Tablettenform, in selteneren Fällen auch als Infusion – behandelt, können schwerwiegende Komplikationen vermieden werden. „Grundsätzlich kann das Virus jede Zelle des Körpers infizieren, schädigen oder gar zerstören. Je länger es unentdeckt im Körper wüten kann, desto drastischer die Folgen.“
Text: Claudia Sebunk | Fotos: iStock_Anastasia Malachi; ACCELENT; FELICITAS MATERN
Mehr zum Thema „Eine Rose mit Dornen” erfahren Sie in GESUND & LEBEN 04/23.