Medizinische Spuren durch Wien

Vor 200 Jahren galt Wien als das Mekka der Medizin. Von dieser Blütezeit zeugen heute noch viele Gebäude und Orte in der Hauptstadt. Eine Reise in eine längst vergangene Zeit.

Narrenturm

Narrenturm

Wien genießt nach wie vor einen guten Ruf, wenn es um medizinische Forschung, Innovationen und auch Gesundheitsversorgung geht. „Aber die Vorherrschaft haben wir natürlich nicht mehr inne“, meint Dr. Hans-Peter Petutschnig, Pressesprecher der Wiener Ärztekammer. Das war allerdings nicht immer so: Vor gut 200 Jahren galt die Hauptstadt der österreich-ungarischen Monarchie und damalige Weltmetropole als „Mekka der Medizin“, wo Geschichte geschrieben wurde. „Besonders die Blütezeit der medizinischen Schulen verhalf Wien zu Weltruhm“, so Petutschnig. „Bereits vor 200 Jahren standen das Allgemeine Krankenhaus, der Narrenturm und das Josephinum als ‚Musts’ auf der Besichtigungsliste vieler Reisender.“ Die erlebbare Medizingeschichte Wiens, führt der Experte weiter aus, reiche jedoch bereits viel weiter zurück, denn schon vor mehr als 650 Jahren wurde die Medizinische Fakultät gegründet.

Das Alte AKH

Krapfenbauer-Horsky: „Viele internationale Ärzte versammelten sich in Wien, wodurch es zu einer Konzentration an großem medizinischen Wissen in der Stadt kam.“ Besonders Joseph II., Sohn von Maria Theresia und von 1765 bis 1790 Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, spielt eine wichtige Rolle in der Medizingeschichte Wiens. Unter seiner Regentschaft wurde das Alte AKH gegründet, das als eines seiner größten Reformwerke gilt. Mit 2.000 Betten war es das damals größte – und modernste – Krankenhaus Europas. „Die Vision von Joseph II. war, dass jeder Kranke ein eigenes Bett bekommen sollte“, so die Expertin. Das Alte AKH umfasst insgesamt 13 Höfe. In Hof 1 befand sich die berühmte II. Universitäts-Augenklinik, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Weltruf genoss. Dort praktizierte zum Beispiel Carl Koller, der Begründer der modernen Lokalanästhesie in der Augenheilkunde. Andere bedeutende Ärzte, die vom AKH aus die Geschichte der Medizin maßgeblich beeinflussten: Theodor Billroth, Philip Semmelweis, Sigmund Freud und Karl Landsteiner.

Der Narrenturm

Ebenfalls in einem der Höfe des alten AKH, nämlich in Nummer 6, befindet sich ein weiteres bedeutendes Bauwerk, das auf Anordnung von Joseph II. errichtet wurde: der Narrenturm. „Eine epochale Errungenschaft“, betont Krapfenbauer-Horsky. „In einer Zeit, in der psychisch Kranke auf einsamen Inseln ausgesetzt oder ins Gefängnis gesteckt wurden, war eine Heilanstalt für psychische Erkrankungen ein enormer Fortschritt. Der Narrenturm war also der erste Versuch, diesen Betroffenen zu helfen.“ Der fünfstöckige, festungsähnliche Rundbau umfasst 139 Einzelzellen mit vergitterten Fenstern, Gittertüren und Ringen zur Ankettung. „Aus heutiger Sicht natürlich immer noch unmenschlich.“


Text: Manuel Simbürger | Foto: Ärztekammer Wien / Stefan Seelig
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