Revolutionäres Herz

Herz-Kreislauf-Erkrankungen stellen in Österreich die häufigste Todesursache dar. Doch neue Behandlungsmethoden verhelfen Patientinnen und Patienten zu besseren Chancen.

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In den vergangenen Jahrzehnten hat sich Erstaunliches getan, wenn es um die Therapie von Herz-Kreislauf-Erkrankungen geht. Das fange schon im Bereich der Prävention an, betont Univ.-Prof. Dr. Christian Hengstenberg, Leiter der Klinischen Abteilung für Kardiologie an der Medizinischen Universität Wien: „Ein großer Risikofaktor für koronare Herzkrankheiten ist das LDL-Cholesterin. Dieses zu unterschätzen, kann sehr gefährlich sein. Gerade Patientinnen und Patienten mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen sollten ihren Wert kennen und rechtzeitig medikamentös einstellen lassen. Lipidsenker haben sich hier als sehr wirksam erwiesen, um das schädigende Blutfett auf einem niedrigen Level zu halten.“ Auch ein gesunder Blutdruck ist wichtig für die Vermeidung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, allen voran der Herzinsuffizienz. Besonderen Stellenwert hat die regelmäßige Messung bei Patientinnen und Patienten, die eine Grunderkrankung mit hohem Blutdruck haben, zum Beispiel eine Schilddrüsenüberfunktion, Nierenerkrankungen oder Diabetes Typ 2. Eine rechtzeitige blutdrucksenkende Therapie kann das Risiko einer Herzerkrankung deutlich reduzieren.

Im Blick

Ein besonders relevanter Faktor in der Diagnose und Behandlung von Herzkrankheiten ist die moderne Bildgebung, sagt Hengstenberg: „Die Technologie schreitet rasant voran und eröffnet uns heute Möglichkeiten, von denen wir vor fünfzehn Jahren nicht einmal zu träumen gewagt hätten.“ Durch innovative Techniken im Bereich des Ultraschalls und die Erzeugung dreidimensionaler Bilder durch die Rechner von CT und MRT können komplexe Herzstrukturen heute besonders genau abgebildet werden. In den vergangenen Jahren hat sich außerdem die Herzkatheter-Untersuchung weiterentwickelt: Ein feiner, biegsamer Kunststoffschlauch wird während der Untersuchung unter Röntgenkontrolle bis zum Herzen vorgeschoben. Damit können eine Erkrankung des Herzens, der Herzklappen oder der Herzkranzgefäße sichtbar gemacht werden. Bestätigt sich während der Untersuchung der Verdacht auf verengte Herzkranzgefäße, können diese auch direkt behandelt werden, indem man einen Stent setzt, um die betroffenen Gefäße zu stützen und offen zu halten. 

Leidet eine Patientin, ein Patient wiederum an komplexen Herzrhythmusstörungen, so kommt das sogenannte elektroanatomische Mappingverfahren zum Einsatz: Dabei wird eine dreidimensionale „Landkarte“ des Herzens erstellt. Mit verschiedenen Mapping-Algorithmen können Herzstrukturen und -zellen während der Katheter-Untersuchung tausendfach und millimetergenau abgebildet werden. Ärztinnen und Ärzte machen sich auf die Suche nach dem Ursprungsort der Rhythmusstörung und können das kranke Gewebe anschließend besonders präzise veröden, ohne dass, wie in der Vergangenheit, die Gefahr besteht, dabei auch gesunde Bereiche zu treffen.

Minimal-invasiv

Prim. Univ.-Prof. Dr. Julia Mascherbauer ist Spezialistin für Herzklappenerkrankungen und Leiterin der Klinischen Abteilung für Innere Medizin 3 am Universitätsklinikum St. Pölten. Unter ihrer Führung wurde erstmalig in Österreich begonnen, bei Aortenklappeneingriffen ein zerebrales Protektionssystem zu verwenden. Dabei wird ein Katheter über die Leistenarterie bis in die Halsschlagader geführt, um zu verhindern, dass während des Eingriffs Thromben- oder Kalkpartikel aus der Verengung gelöst und abgeschwemmt werden, die sonst Schlaganfälle auslösen könnten. Dass sich in den vergangenen Jahren viel im Bereich der Herzklappenerkrankungen getan hat, freut die erfahrene Ärztin: „Wir haben heute nicht nur ein viel größeres Repertoire an Herzklappenprothesen zur Verfügung, sondern haben es auch geschafft, die Eingriffe vorrangig minimal-invasiv durchzuführen. Bis vor zehn Jahren musste man bei einem Herzklappeneingriff zwingend den Brustkorb öffnen, inzwischen kann man einen Katheter entweder über die Leiste, die Herzspitze oder das Schlüsselbein bis zum Herzen vorschieben“, erklärt Mascherbauer. Durch diese schonendere Methode werde auch die Erholungszeit für den Patienten von Wochen auf wenige Tage verkürzt: „Die Patientinnen und Patienten können meist einen Tag nach dem Eingriff aufstehen und im besten Fall auch schon am nächsten Tag das Klinikum wieder verlassen.“

Technologiesprünge

Auch in Zukunft sind einige Innovationen in der Behandlung von Herzerkrankungen zu erwarten: Einerseits im Bereich der Medikamente, wo beispielsweise gerade an siRNA-Injektionen (engl. small interfering RNA), geforscht wird, um Patientinnen und Patienten mit einem hohen Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen vor erhöhten LDL-Cholesterinwerten zu schützen. „Damit würden Risikopatienten anstatt einer täglichen Medikamenteneinnahme nur noch eine halbjährliche Spritze benötigen“, meint Hengstenberg. Und auch die diagnostische Bildgebung könnte sich bald weiterentwickeln: So werden etwa derzeit die ersten Experimente mit Photon-Counting-CTs durchgeführt. Diese photonenzählenden Detektoren bestehen aus einem Halbleitermaterial, das in der Lage ist, Röntgenstrahlen direkt in elektrische Signalimpulse umzuwandeln. Durch ihre sehr hohe räumliche Auflösung kann man Strukturen mit einer nie da gewesenen Detailschärfe erkennen, was einen großen Nutzen für den kardiovaskulären Bereich, insbesondere für die Herzdiagnostik haben könnte, vermutet Hengstenberg: „Man wird Kalk und andere Weichteilplaques der Koronarien besser detektieren können – und das mit einer geringeren Strahlenbelastung als beim Standard-CT.“

Auch Prim. Mascherbauer sieht großes Potential in der Forschung an neuen Herztherapien: „Schon jetzt kann man sehr vielen Patientinnen und Patienten helfen, denen man bis vor wenigen Jahren kaum Behandlungsmöglichkeiten anbieten konnte – zum Beispiel, weil sie voroperiert, schwerkrank oder in einem sehr hohen Alter waren. Heute haben wir viele moderne Technologien zur Hand und sind damit in der Lage, ihre Lebensqualität enorm zu verbessern.“


Text: Michaela Neubauer | Foto: Unsplash.com
Dieser Beitrag ist in GESUND & LEBEN 06/2021 erschienen.

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