Die Macht der Gewohnheit

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, Alltagsroutinen erleichtern das Leben. Warum also nicht ein paar gesunde, gute neue Gewohnheiten für ein besseres Leben entwickeln? Wie das geht, erklärt Psychotherapeutin Christine Semotan.

Warum scheitern Neujahrsvorsätze so oft?

Oft sind diese Absichten verkehrt herum formuliert. „Keine Schokolade mehr am Abend zu essen“ beschreibt, was ich nicht mache. Das kann lähmend wirken, und einige fühlen sich dann ohnmächtig und ausgeliefert. Eine Formulierung wie „Ich möchte mich am Abend unbelastet fühlen“ macht hingegen Freude und gibt Stärke, wenn es gelingt. Sollte es am vierten Tag nicht glücken, ist es wichtig, die drei erfolgreichen Tage zu würdigen. Statt „Jetzt war alles umsonst“ sagen Sie besser „Das nächste Mal sind es vielleicht mehr Tage“.

Was kann man noch tun, um erwünschte Gewohnheiten ins Leben zu holen?

Stellen Sie sich zunächst die Frage „Tut es mir gut, wenn ich mir das angewöhne?“ und klären Sie für sich auch, ob es Ihnen auf lange Sicht nicht schadet. Malen Sie sich aus, wie es ist, am Ziel zu sein. Wollen Sie sich etwa mehr bewegen, stellen Sie sich vor, wie es aussieht, wenn Sie beweglicher sind. Wie ist Ihre Haltung? Wie gehen Sie? Wie atmen Sie? Wie ist Ihre Stimme? So gewinnen Sie aufbauende Bilder: Ihre Haltung ist aufrecht, der Brustkorb offen, die Lunge durchflutet, Sie sind lebendiger, fühlen sich wohl in Ihrer Haut.

Wie wichtig ist Unterstützung von außen?

Gewohnheiten sind ansteckend! Wollen Sie gesünder leben, so fällt das leichter, wenn Sie von gesundheitsbewussten Menschen umgeben sind. Weihen Sie auch wertschätzende Menschen in Ihr Vorhaben ein. Es hilft, wenn Sie von interessierten Personen gefragt werden, wie Sie vorankommen.

Wie sieht die Sache mit Gewohnten Gefühlsreaktionen aus? Was ist zu tun, wenn man sich hier neue Gewohnheiten zulegen will?

Zunächst ist es wichtig sich klarzumachen, dass wir für unsere Gefühle keine Verantwortung haben. Ich kann nichts dafür, wenn ich traurig bin – ebenso wenig wie ich es steuern kann, ob mir Paradeiser schmecken oder nicht. Doch es ist möglich, an Gefühlen nicht hängen zu bleiben oder die Lage mit Abstand zu betrachten. Dabei ist Verständnis für sich selbst wichtig, denn kein Mensch ist aus Jux und Tollerei aufbrausend, jähzornig, neidisch oder ein Angsthase. Der Umgang mit Gefühlen wird in der Kindheit erlernt – meist aus einer inneren Not heraus.

Wie sehen die weiteren Schritte aus?

Ein Beispiel: Sie schlucken Ihren Ärger immer hinunter und wollen das beenden. Versuchen Sie, so genau wie möglich zu ergründen, wann, bei wem und wie Sie das machen. Stellen Sie sich vor, was geschehen könnte, wenn Sie sich verändern. Was könnten Sie stattdessen tun? Was beobachten Sie bei anderen in einer solchen Situation? Wie zeigen sie ihren Ärger? Sie sehen möglicherweise: Das muss nicht aufbrausend sein. Die eine wehrt sich mit Charme, der andere mit Humor. Fragen Sie sich: Wie sieht es aus, wenn Sie das tun, was gut zu Ihnen passt? Wo, bei wem und in welcher Situation könnten Sie das ausprobieren? Doch Vorsicht: Es ist ratsam, nicht mit zu belasteten Situationen zu beginnen. Und: Gute neue Gewohnheiten wollen geduldig entwickelt und gepflegt werden.


Text: Gabriele Vasak | Foto: iStock_phototechno

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