„Die Zukunft hat gerade erst begonnen“

Brustkrebs-Spezialist Univ.-Prof. Dr. Michael Gnant über Meilensteine, aktuelle Behandlungsstandards und Zukunftshoffnungen für jene Krankheit, von der in Österreich jede achte Frau im Laufe ihres Lebens betroffen ist.

Herr Dr. Gnant, die Austrian Breast & Colorectal Cancer Study Group (ABCSG), deren Leiter Sie sind, feiert bald ihr 40-jähriges Bestehen. Was hat sich in der Diagnose und Behandlung von Brustkrebs in den letzten Jahrzehnten verändert?

Auf der organisatorischen Ebene ist es für ein kleines Land wie Österreich nicht selbstverständlich, dass es diese akademische Forschungsorganisation gibt, die international erfolgreich klinische Studien zu Brust- und Darmkrebs durchführt. Wir spielen im Bereich der klinischen Brustkrebsforschung durchaus in der Champions League mit und sind somit Innovation Leader, nicht Innovation Follower. Strukturell ist der wesentliche Meilenstein, dass einzelne Disziplinen nicht mehr getrennt voneinander arbeiten, sondern interdisziplinär. Ein genereller Trend in der Onkologie, aber die Disziplin Brustkrebs war in diesem Bereich wegbahnend. Um schließlich auf den medizinischen Bereich zu sprechen zu kommen: Hier waren die Entwicklungen enorm.

Können Sie diese näher erläutern?

Zunächst sind die Therapien schonender und viel zielgerichteter geworden. Vor 40 Jahren war in der Brustchirurgie die Amputation Standard, heute können wir rund 90 Prozent der Betroffenen brust-erhaltend therapieren. Eine zweite wichtige Säule ist die Strahlentherapie, die heute risikoadaptiert und verkürzt angewendet wird. Bei der dritten Säule, der medikamentösen Therapie, steht neben zahlreichen Innovationen die Personalisierung im Fokus. Es wird genau untersucht, wer welches Medikament benötigt, denn Brustkrebs ist nicht gleich Brustkrebs. Das Ziel ist, möglichst individuell zielgerichtet nur das einzusetzen, was bei der jeweiligen Erkrankung wirklich wirkt. Schließlich hat sich auch der Behandlungserfolg insgesamt wesentlich verbessert – heute werden bei rechtzeitiger Erkennung neun von zehn Betroffenen wieder gesund und bleiben es. Das liegt auch an einem optimierten Früherkennungsprogramm.

Welche Rolle spielt die Immuntherapie?

Noch keine übergeordnete, sie erzielt aber bei einem Subtyp, von dem ungefähr zehn Prozent betroffen sind, schon sehr gute Erfolge. Und bei fortgeschrittenem Stadium der Krankheit können molekularbiologische Diagnose-Methoden zur Anwendung kommen, wenn Metastasen auf gewisse Medikamente nicht mehr sensibel reagieren. Wir sind in manchen Situationen schon in der Lage, genau jene Eigenschaft der Tumorzellen zu attackieren, die gerade die Krankheit am Fortschreiten hält.

Univ.-Prof. Dr. Michael Gnant, Brustkrebs-Spezialist und Facharzt für allgemeine Chirurgie und Viszeralchirurgie, Wien

 

Es wird genau untersucht, wer welches Medikament benötigt, denn Brustkrebs ist nicht gleich Brustkrebs.


Text: Claudia Sebunk | Fotos: istock_sprng23; Pletterbauer Fotografie
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