Essen, was guttut & schmeckt

Essen, was man möchte, und genau dann, wenn man tatsächlich Hunger hat. Was nach einem kulinarischen Schlaraffenland klingt, ist die Grundlage von intuitivem Essen – einem verhaltensbasierten Ernährungsansatz, der auf die innere Wahrnehmung setzt. GESUND & LEBEN zeigt, wie Sie es schaffen, wieder mehr auf sich und Ihren Körper zu hören. Und dabei besser essen und leben …

Babys schreien, wenn sie Hunger haben, und hören auf zu essen bzw. zu trinken, sobald sie satt sind. Im Laufe des Lebens aber verlernen wir, die Signale unseres Körpers richtig zu deuten und auf sie zu hören. Kein Wunder, wird doch Kindern gesagt, dass sie aufessen müssen, weil es nur dann Nachtisch gibt oder damit das Wetter am nächsten Tag schön wird. Je älter wir werden, umso mehr äußere Einflüsse und Regeln kommen hinzu: Schlanke Menschen, so weit das Auge reicht – zumindest, wenn man in Magazinen blättert oder sich durch die sozialen Medien scrollt. Als Ergebnis artet das Streben nach Schlankheit nicht selten zum Kult aus. Und während die Österreicherinnen 2019 laut Umfragen im Schnitt 5,1 Diäten hinter sich hatten, sind hierzulande gemäß Statistik Austria 3,7 Prozent Menschen über 15 Jahre übergewichtig, rund 17 Prozent von ihnen haben bereits Adipositas (sind also krankhaft fettleibig) – Tendenz steigend. 

Eine Frage der Balance

Die damit einhergehenden gesundheitlichen Probleme sind massiv, haben laut Edith Kubiena, Diätologin in Neufeld an der Leitha (Burgenland), aber auch dazu geführt, „dass zum Teil Ernährungsempfehlungen etabliert wurden, die Nahrungsmittel und Speisen, vereinfacht gesagt, in ‚gut‘ und ‚schlecht‘ einteilen. Viele haben deshalb das Gefühl, dass uns das Essen nur heilen oder uns nur schaden kann.“ Dabei wüssten wir an sich von Natur aus, welche Lebensmittel uns guttun, worauf wir Appetit, wann wir Hunger und wann wir genug haben. Oder anders gesagt: Würden wir (wieder) in uns hineinspüren und auf Hunger- sowie Sättigungsgefühl achten, bräuchte es weder Diäten noch Körperkult.
Eine Thematik, mit der sich die US-Ernährungsexpertinnen Evelyn Tribole und Elyse Resch schon lange beschäftigen, was dazu geführt hat, dass sie bereits 1995 ein Buch über den „Anti-Diät-Ansatz“ des intuitiven Essens geschrieben haben. Auch Kubiena integriert dieses „natürliche Essverhalten“ in ihre Arbeit: „Intuitiv Essen ist ein verhaltensbasierter Ansatz, der den Fokus statt auf kalorien- und nährstoffoptimierte Essenspläne auf die innere Wahrnehmung lenkt.“ Intuitives essen ist somit keine Diät und setzt weder auf Verbote, Kalorienzählen noch auf militante Umsetzung von Ernährungsempfehlungen. Vielmehr geht es darum, wieder ein Vertrauen aufzubauen, dass der Körper schon weiß, was er möchte, worauf er Lust hat und wann genug ist. Für wen das zu schön klingt, um wahr zu sein, und wer sich zudem sorgt, man greife dann nur mehr zu Schokolade, Chips und anderen vermeintlich ungesunden Kalorienbomben, für den hat die Expertin eine gute Nachricht, denn: „Erfahrungsgemäß führt die uneingeschränkte Erlaubnis, alles essen zu dürfen, nicht dazu, dass man nur mehr ungesund isst.“ Im Übrigen ist es nicht schlimm, wenn wir uns ab und zu ein Eis gönnen. Auch schlagen sich zwei, drei Rippen Schokolade nicht sofort auf den Hüften nieder, und ein Tag mit Junkfood verstopft nicht gleich die Gefäße. „Auf die Balance kommt es an“, so Kubiena.

 

Edith Kubiena, Diätologin in Neufeld an der Leitha (Burgenland)

 


Mit Bauch & Hirn zur Selbstliebe

Geht es nach Evelyn Tribole und Elyse Resch, hängt intuitive Ernährung vor allem mit Selbstfürsorge zusammen. In ihrem US-Bestseller „Intuitive Eating – A Revolutionary Anti-Diet Approach“ beschreiben sie ausführlich jene zehn Prinzipien, die den Weg zu intuitivem Essen und damit zu mehr Selbstliebe ebnen. Wir haben sie hier in Kürze zusammengefasst:

  1. Schluss mit der Diätmentalität: Werfen Sie all die Bücher und Magazine weg, die Diäten propagieren und falsche Hoffnungen schüren. Fakt ist: Diäten führen dank Jo-Jo-Effekt meist zu erneuter Gewichtszunahme und somit nicht selten zu Schuldgefühlen.

  2. Ein Hoch auf den Hunger: Unser Körper zeigt uns, wenn er Nahrung braucht. Wer allerdings sein Hungergefühl nicht ernst nimmt, läuft Gefahr, sich einer Heißhungerattacke auszusetzen. 

  3. Schließen Sie Frieden mit dem Essen: Wer intuitiv isst, darf alles essen, was er oder sie möchte. Dann wird Essen zu einem intensiven Erlebnis – ganz ohne schlechtes Gewissen. 

  4. Lebensmittelpolizei? Challenge accepted: Sagen Sie „Nein“ und „Stopp“ zu all den Gedanken, die Ihnen weismachen wollen, dass Lebensmittel in gut oder schlecht eingeteilt werden müssen. Je öfter Sie das tun, umso schneller werden Sie zu Ihrer intuitiven Ernährung zurückkehren. 

  5. Entdecken Sie den Zufriedenheitsfaktor: Essen soll uns zufrieden und glücklich machen – nicht nur satt. Wichtig dabei: Nehmen Sie sich Zeit dafür, genießen Sie mit allen Sinnen und machen Sie jede Mahlzeit zu einem Fest.


Text: Christiane Mähr | Fotos: Istock Aja Koska/Ivan Pantic/StefaNikolic/ljubaphoto/bymuratdeniz; Privat
Mehr zum Thema „Essen, was guttut & schmeckt” und weitere fünf Prinzipien von Evelyn Tribole und Elyse Resch erfahren Sie in GESUND & LEBEN 05/22.

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