Essen wir uns krank?

Ernährung auf industrieller Basis ist ungesünder als Rauchen, Alkohol und Bewegungsmangel zusammen. Welche gesundheitlichen Folgen hat die industrielle Revolution im Lebensmittelbereich? 

Achtung, bei diesem Thema geht es ans Eingemachte! Dr. Sarah Schwitalla, die als Wissenschafterin jahrelang an der Harvard Medical School gearbeitet hatte, in der Darmkrebsforschung aktiv ist und das Zentrum für Prävention & Darmgesundheit gründete, erklärt im Interview mit GESUND & LEBEN offen: „14 Millionen Menschen sterben unnötig, weil sie sich falsch ernähren. Wie große Studien zeigen, ist unsere heutige Ernährung die Todesursache Nummer eins.“ Am Rauchen würden hingegen „nur“ sechs Millionen sterben. Darmkrebs sei (abseits einer erblichen Vorbelastung) in erster Linie eine Zivilisationskrankheit. „Durch gesundes Essen könnten wir fast alle Verdauungserkrankungen, chronischen Erkrankungen und die Hälfte aller Krebsfälle vermeiden“, diagnostiziert Schwitalla. Das treffe ebenso auf Herzinfarkte, Schlaganfälle und entzündliche Darmerkrankungen zu.

Wir essen zu wenig vom Guten und zu viel vom Schlechten.
— Dr. Sarah Schwitalla, Zentrum für Prävention & Darmgesundheit

Vorgekaute Industrienahrung

Das Übel sind industriell veränderte Produkte voller Chemikalien und künstlicher Zusatzstoffe – für eine längere Haltbarkeit und eine vermeintlich schönere Optik. Mit jeder Stufe der Verarbeitung ändert sich die molekulare Struktur der Inhaltsstoffe. Vorgekaute Industrienahrung wird immer ungesünder. Das hat Folgen für ein von der Medizin stark vernachlässigtes Organ: das Mikrobiom im Darm (die Gesamtzahl aller Mikroben und mikrobiellen Organismen), das die Hälfte unserer Körperzellen ausmacht. Ein gesundes Mikrobiom ist essenziell für die Kommunikation von Körperzellen, die Verdauung, unsere Gene, das Nerven-, Hormon- und Immunsystem. Frische, gesunde und unverarbeitete Lebensmittel halten es fit. „Sieger auf der Ballaststoff-Tribüne sind Lebensmittel, die nahezu kein Marketing betreiben: Hülsenfrüchte, intaktes Getreide, Obst, Nüsse und Gemüse. Der Hauptteil unserer täglichen drei Mahlzeiten sollte aus diesen fünf Gruppen bestehen“, erklärt die Wissenschafterin, die sich selbst vegan ernährt. „Doch wir essen zu wenig vom Guten und zu viel vom Schlechten.“ Und weiter, mit klaren Worten: „Es ist offensichtlich, dass unser heutiges Lebensmittelsystem nicht die Gesundheit der Menschen zum obersten Ziel hat. Die Prioritäten sind schon lange anders gesetzt: Profit sticht Gesundheit. Was wir essen, wird zunehmend von einigen wenigen multinationalen Lebensmittelkonzernen bestimmt.

BUCHTIPP

Dr. Sarah Schwitalla: Das Mikrobiom-Komplott. Wie Lebensmittelindustrien unsere Gesundheit zerstören und wir uns schützen.

Die Autorin deckt in diesem Buch nicht nur sorgfältig recherchiert auf, wie chronische Krankheiten im Darm entstehen können, sondern gibt auch eine Anleitung, wie man sich wirksam schützen kann.

ISBN: 978-3-990012949


Text: Karin Lehner | Fotos: ZVG, istockphoto/nerudol
Mehr zum Thema „Essen wir uns krank?” erfahren Sie in GESUND & LEBEN 05/22.

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