Herzensangelegenheit

Herzklappenerkrankungen sind lebensbedrohlich. Doch große Fortschritte in der Medizintechnik ermöglichen immer schonendere Eingriffe und kürzere Erholungszeiten.

Unser Herz ist ein Hochleistungsmotor: 365 Tage im Jahr pumpt es pausenlos Blut durch den Körper, um jedes Organ und jede Zelle mit ausreichend Sauerstoff, Nährstoffen, Vitaminen, Mineralien und anderen wichtigen Substanzen zu versorgen. Dafür benötigt es die vier Herzklappen: Sie wirken wie Ventile und verhindern einen Rückstrom des Blutes in die falsche Richtung. Für diesen Zweck sind sie perfekt positioniert: Zwei Herzklappen – die Pulmonal- und Trikuspidalklappe – sitzen in der rechten Herzhälfte und zwei weitere – die Aorten- und Mitralklappe – in der linken Herzhälfte. Nimmt eine Herzklappe im Laufe der Jahre jedoch Schaden oder liegt von Geburt an ein Herzklappenfehler vor, kann die Leistungsfähigkeit des Herzens stark eingeschränkt sein, warnt OA Dr. Paul Vock, Facharzt für Kardiologie und Innere Medizin und Leiter des Herzkatheterlabors am Universitätsklinikum St. Pölten: „Grundsätzlich unterscheidet man zwischen zwei Arten von Herzklappenerkrankungen: Bei der Stenose ist die Öffnung einer Herzklappe verengt, sodass bei der Aortenklappe zu wenig Blut aus dem Herzen in den Blutkreislauf gepumpt wird. Bei der Insuffizienz ist hingegen eine Herzklappe undicht. Das Blut kann durch die geschlossene Klappe trotzdem zurückfließen, wodurch die Pumpleistung des Herzens verringert wird.“ Ein Klappenfehler kann jede der vier Herzklappen betreffen, wobei Erkrankungen der Aorten- und Mitralklappe besonders häufig sind: Schätzungen zufolge sind in Österreich bis zu 115.000 der über 65-Jährigen von einer Aortenklappenstenose betroffen. Herzklappenerkrankungen können ausschließlich durch einen Klappenersatz oder eine Reparatur therapiert werden; Medikamente helfen lediglich dabei, die Symptome zu lindern.

OA Dr. Paul Vock, Leiter Herzkatheterlaboram Universitätsklinikum St. Pölten

Beschwerden ernstnehmen

„Bei der Aortenstenose gibt es drei wesentliche Warn­zeichen, die es unbedingt frühzeitig abzuklären gilt: Schwindel und Bewusstseinsverlust, Atemnot bei Belastung und Angina pectoris, also ein Engegefühl in der Brust“, macht Vock die Relevanz von Vorsorgeuntersuchungen deutlich. Schnellen Aufschluss über das Vorliegen einer Erkrankung liefert eine Herz-Stethoskop-Untersuchung, bei der die Herztöne abgehört werden. Kommt es hierbei zu Auffälligkeiten, folgen weitere Untersuchungen, jedenfalls eine Echokardiographie (Herzultraschall). „Wird ein Herzklappenfehler diagnostiziert, so muss man abklären, welche Behandlungsart infrage kommt. Bei Aortenstenosen gibt es je nach Alter der Patientinnen und Patienten zwei Möglichkeiten: eine konventionelle Herzoperation mit Eröffnung des Brustkorbs oder die weitaus schonendere TAVI-Methode, bei der eine Aortenklappenprothese ohne chirurgische Operation über die Leiste implantiert wird“, erklärt Vock.

Schnellere Erholungszeit

Die Vorteile der TAVI-Methode liegen auf der Hand: Das Risiko des Eingriffs ist geringer, der Eingriff erfolgt bei Bewusstsein, darüber hinaus verkürzt sich auch die Rehabilitationszeit. Patientinnen und Patienten können mitunter bereits nach einem Tag das Krankenhaus wieder verlassen. „Aufgrund der guten Datenlage können immer mehr und auch immer jüngere Personen mit der TAVI-Methode behandelt werden – und das mit dem gleichen Erfolg wie bei einer herkömmlichen Operation am offenen Herzen“, zeigt sich Vock begeistert.

Zurück in den Alltag

Erfreulich sei es, dass Patientinnen und Patienten dank des medizinischen Fortschritts in der Kardiologie in immer besserem Zustand zur Rehabilitation kommen, sagt Prim. Univ.-Doz. Dr. Sebastian Globits, Ärztlicher Leiter des Herz-Kreislauf-Zentrums Groß Gerungs: „Auch nach schweren Herzoperationen sind Patientinnen und Patienten bereits innerhalb weniger Wochen wieder völlig normal belastbar.“ Im Fokus der Rehabilitation steht vordergründig der körperliche Aufbau mithilfe der drei Säulen Ausdauer, Kraft und Koordination. „Zunächst werden bei einem Belastungstest die Leistungsdaten erhoben und anschließend wird die individuelle Trainingsherzfrequenz bestimmt. Je nach Alter und Vorlieben der Patientinnen und Patienten trainieren sie mit Fitnessgeräten, Alltagsgegenständen oder mit dem eigenen Körpergewicht“, erklärt der Ärztliche Leiter. Koordinationsübungen seien insbesondere bei älteren Personen im Hinblick auf die Sturzprävention von großer Bedeutung. Darüber hinaus ist auch die psychologische Unterstützung ein wichtiger Teil der Rehabilitation. Gesprächs- und Traumatherapie, Stressmanagement, Biofeedback, Konzentrations- und Entspannungstechniken helfen dabei, mit dem Eingriff am Herzen besser umzugehen und neue Kraft zu tanken.

Prim. Univ.-Doz. Dr. Sebastian Globits, Ärztlicher Leiter Herz-Kreislauf-Zentrum Groß Gerungs


Text: Michaela Neubauer | Fotos: iStock_LEOcrafts, beigestellt
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