Jeder kann garteln

Um Obst und Gemüse anzubauen, braucht man nicht unbedingt einen Garten: Auch auf der Terrasse, dem Balkon und sogar in Innenräumen gedeihen die Pflanzen.

Wenn die Sonne häufiger scheint, die Vögel zwitschern und das Gras grüner wird, dann erwacht nicht nur die Natur aus dem Winterschlaf, sondern auch potenzielle Hobbygärtnerinnen und -gärtner. Wie aber baut man sein eigenes Gemüse an, wenn der Platz im Garten fehlt? Oder gar der Garten selbst?


Start im Haus

Nicht nur, ob und wie viel Garten man hat, entscheidet über Gärtnern oder Nicht-Gärtnern. Auch ungünstige Rahmenbedingungen wie zu viel Schatten durch Mauern oder Bäume oder Steilhänge erschweren das Anbauen von Gemüse. Die Lösung: Man verlagert den eigenen Gemüsegarten auf den Balkon oder die Terrasse. Das hat Vorteile: „Man hat unabhängig von schlechten Bodenbedingungen gute Voraussetzungen für eine reiche Ernte. Und man kann die Pflanzgefäße von A nach B verschieben, um den besten Standort zu finden“, sagt Mag. Heidemarie Hell von der „Tut gut!“ Gesundheitsvorsorge GmbH. Und: Stehen die Pflanzen direkt vor der Haus- oder Balkontür, hat man es nicht weit, um das Gemüse zu ernten. Bedenken muss man allerdings, dass die Wurzeln im Gefäß weniger Platz haben als in der Erde. Deshalb sollte man seine Pflanzen mit guter Erde, genügend Nährstoffen und Wasser versorgen. Auch wenn der richtige Platz vor der Haustür nun gefunden ist – in das neue Gartenjahr wird dennoch im Haus gestartet: Ab März kann man viele Gemüsesorten im Haus vorziehen. Durch das zunehmende Tageslicht entwickeln sich Gemüse-Sämlinge gut. Tomatensamen kann man auch ab Mitte März in Aussaatschalen auf einer nach Süden ausgerichteten Fensterbank vorziehen. Innerhalb von zwei Monaten werden die Tomaten so kräftig, dass man sie in das Beet oder den Topf umsetzen kann. Um die Jungpflanzen abzuhärten, kann man sie an milden Tagen an geschützte Plätze im Freien stellen und abends wieder reinholen. Ebenfalls im März kann man beispielsweise Gemüse­sorten wie Erbsen, Radieschen, Spinat oder Pflücksalat auch schon im Freien aussäen oder fertige Salatpflanzen setzen. Welche Gemüsesorten eignen sich aber am besten, um in Töpfen oder Balkonkästen zu gedeihen?

 

Mag. Heidemarie Hell, „Tut gut!“ Gesundheitsvorsorge GmbH

 

„Es ist noch keine Gärtnerin, kein Gärtner vom Himmel gefallen.“

Topf & Kästen

Die Tomate ist besonders beliebt bei Balkon-Gärtnerinnen und -Gärtnern. Sie wächst in einem Gefäß mit zwölf bis 20 Litern Inhalt, wenn sie mit ausreichend Wasser und Nährstoffen versorgt wird. Ideal ist es, wenn die Tomate vor Regen geschützt etwa unter einem Dachvorsprung steht. Im Topf der Tomate kann man zusätzlich Basilikum pflanzen. Weitere Gemüsesorten, die sich ideal für Gefäße eignen, sind Melanzani, Paprika oder Andenbeeren. Wenn der Platz für ein größeres Gefäß vorhanden ist, das mindestens 40 Liter Fassungsvermögen aufweist, kann man auch Zucchini oder Gurken am Balkon oder auf der Terrasse ziehen. Wer an Gärtnern abseits des klassischen Gemüsebeetes denkt, hat dabei meist den Topf im Kopf. Dabei gibt es hier noch viel mehr Möglichkeiten: Am Balkongeländer lassen sich Balkonkästen anbringen, in denen beispielsweise der Pflücksalat mit seinem kleinen Wurzelballen ideal gedeiht. Ein weiterer Vorteil: Der Salat ist etwas erhöht angebracht sicher vor Schnecken. Auch Radieschen und Spinat wachsen prächtig in Gefäßen. Kleine Hochbeete und Pflanzentreppen eignen sich zusätzlich zum Gärtnern auf kleinem Raum. Die Gefäße sollten idealerweise aus Holz, Ton oder lebensmittelechtem Kunststoff (PE) bestehen. Nicht nur Gemüse, sondern auch Obst wächst in Töpfen und Kisten. Hängende Erdbeeren erfreuen sich immer größer werdender Beliebtheit. Aber auch Mini-Kiwis, Heidelbeeren oder Brombeeren wachsen in Töpfen gut.


Von Sprossen bis Erbsengrün

Wer nun denkt, ohne Garten oder Balkon auf das Anbauen von Gemüse verzichten zu müssen, der irrt. Denn Gärtnern geht auch drinnen – in Form von Keimlingen, Sprossen und den sogenannten Microgreens. Keimlinge sind gekeimte Samen mit einer kleinen Wurzel, die komplett verzehrt werden können. Dazu gehören etwa Weizen-, Dinkel- oder Buchweizenkeimlinge. Innerhalb von drei bis fünf Tagen kann man die ersten Keimlinge ernten und auf das Butterbrot streuen oder in die Suppe oder den Salat geben. Die nächste Stufe sind die Keimsprossen. Hier wachsen Keimblätter, die verzehrt werden. Zu den bekanntesten Keimsprossen zählt die Kresse. Und dann gibt es noch das Grünkraut – auch Microgreens genannt. Dabei handelt es sich um das Grün junger Gemüsepflanzen. Zehn bis zwölf Tage nach der Aussaat kann etwa Erbsengrün geerntet werden. Dafür werden Triebe und Blätter einfach mit der Schere abgeschnitten. Zu den beliebtesten Microgreens gehören außerdem Karottengrün, Radieschen- und Rettich-Blätter und Weizengras. Doch auch „richtiges“ Gemüse lässt sich im Haus oder in der Wohnung ziehen: So kann man Kopf -und Pflücksalate, Pak Choi und Mangold in Innenräumen in Töpfen anbauen. Und auch Cherry- und Cocktailtomaten gedeihen in Wohnräumen. Zumindest für kurze Zeit, zum Beispiel im Herbst, um noch die letzten Früchte ausreifen zu lassen. Im Haus fehlen allerdings Insekten und Wind als Bestäuber. Ebenfalls für drinnen geeignet sind Zitruspflanzen.


Garteln baut Stress ab

Das Gärtnern sorgt aber nicht nur dafür, dass wir zuhause griffbereit frisches Gemüse haben, es wirkt sich auch positiv auf die physische und psychische Gesundheit aus. Eine Studie, die im British Journal of Sports Medicine veröffentlicht wurde, ergab, dass sich zehn Minuten Gartenarbeit pro Woche positiv auf die Gesundheit auswirken und das Risiko einer Herzerkrankung verringern. Die positive Wirkung auf den Geist erkannten bereits die Ägypter: Königen, die geistig nicht zur Ruhe kamen, wurde nahegelegt, dass sie einen Spaziergang in den Gärten unternehmen. Im 18. und 19. Jahrhundert wurde der Gartenbau sogar als klinische Therapie getestet. Mittlerweile gibt es auf der ganzen Welt Therapiegärten. Wieso aber wirkt sich das Gärtnern positiv auf die eigene Psyche aus? Studien ergaben, dass die Stressbelastung geringer ist, wenn man etwa eine Pflanze umtopft, statt vor dem Computer zu arbeiten. Auch der Blutdruck ist niedriger, was für einen stressabbauenden Effekt spricht. Arbeit mit Pflanzen sorgt dafür, dass man im Moment lebt, da man sich konzentrieren muss. Es reduziert Grübeln und baut Stress ab. Der Sinn, den viele Menschen hinter ihrer Gartenarbeit erkennen, macht glücklich und stolz. Das spiegelt sich ebenfalls in Studien wider: Bei der Arbeit mit den Pflanzen steigen die Hormone Dopamin und Serotonin im Körper an, die dafür sorgen, dass wir uns wohlfühlen.


Schmutz unter den Fingernägeln

Aber auch auf die körperliche Fitness wirkt sich die Arbeit im Garten oder am Balkon positiv aus. Unkraut zu jäten, in der Erde zu graben oder Rasen zu mähen ist eine Form der Physiotherapie und hilft, Kalorien zu verbrennen. Diese Arbeit im Freien sorgt dafür, dass das Immunsystem gestärkt wird, denn das natürliche Licht fördert die Zufuhr von Vitamin D. Und noch etwas stärkt die Abwehr: Wer ohne Handschuhe in der Erde gräbt, der bekommt schon mal Schmutz unter die Fingernägel. Darin befindet sich das Bodenbakterium Mycobacterium vaccae, das dabei hilft, die Symptome von Allergien, Asthma und Psoriasis zu lindern. Das Gärtnern sorgt Studien zufolge auch dafür, dass man dazu neigt, mehr Obst und Gemüse zu essen. Das wiederum sorgt für ein großes Plus in Sachen Herz- und Stoffwechsel-Gesundheit, sagt Heidemarie Hell. Wichtig ist aber eines: Es ist noch keine Gärtnerin und kein Gärtner vom Himmel gefallen: „Man sammelt Erfahrungen und sollte nicht enttäuscht sein, wenn manches nicht sofort funktioniert. Am besten man probiert es einfach noch einmal“, sagt Hell. Und: Ob man am Ende des Sommers auf eine reiche Ernte zurückblicken kann, hängt auch vom Wetter ab. Außer man verlegt seinen „Garten“ in die eigenen vier Wände.


WERTVOLLE INHALTSSTOFFE

Obst und Gemüse selbst anzubauen, macht nicht nur Spaß, sondern liefert auch jede Menge wertvoller Inhaltsstoffe: Eine Vielzahl von Vitaminen sind in zahlreichen Gemüse- und Obstsorten enthalten. Am häufigsten vertreten ist das Vitamin C, aber auch die Vitamine A, B, E und K befinden sich in den Pflanzen. Sie stärken unter anderem das Immun- und das Herz-Kreislauf-System. Ebenfalls zu finden sind Spurenelemente wie Kalium, Kalzium, Magnesium, Mangan, Folsäure, Mineralstoffe, Phosphor, Zink und Eisen. Auch Ballaststoffe sind in Gemüse und Obst enthalten. Als Antioxidantien gelten Flavonoide, Beta-Carotin und Carotinoide, die unter anderem den Blutdruck positiv beeinflussen und der Hautalterung vorbeugen.


Text: Daniela Rittmansberger | Fotos: tut gut!, istockphoto: Michel VIARD
Das Thema „Jeder kann garteln“ erfahren Sie in GESUND & LEBEN 03/22.

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