Kraftquelle

Schädlicher Weizen, Dickmacher Gluten – rund um das Thema Getreide kursieren viele Mythen. Was bringt uns Getreide wirklich?

Gerade in Österreich wird mehrmals täglich zu Getreideprodukten gegriffen. Das Marmeladenbrot zum Frühstück, die Wurstsemmel am Vormittag, ein Nudelgericht zu Mittag, ein Stück Mehlspeise als Nachmittagsjause und Brot oder Reis zum Abendessen. Doch was bedeutet der hohe Getreidekonsum für unsere Gesundheit? Ernährungswissenschaftlerin Mag. Julia Geißler-Katzmann kennt die Antwort. „Getreide liefert uns wichtige Nährstoffe: 60 bis 75 Prozent Kohlen-hydrate, zwei bis sieben Prozent Fett und sieben bis zwölf Prozent Eiweiß. Hinzu kommen Ballaststoffe, Vitamine, Mineralstoffe und sekundäre Pflanzenstoffe.“ Dennoch sollte man Getreide-produkte in Maßen genießen. Man spricht von täglichen „vier Portionen, die sich lohnen“. Das können beispielsweise 120 Gramm gekochte Teigwaren, eine Handvoll Getreideflocken und ein
halbes Weckerl sein. Insgesamt gilt: Je mehr Abwechslung, desto vielfältiger die Nährstoffe. Aus diesem Grund sollte man sich trauen, auch einmal zu anderen oder älteren Getreidesorten zu greifen.



Alte Sorten

Zum Getreide zählen nicht nur Weizen, Gerste, Hafer, Mais und Roggen, sondern auch „Pseudocerealien“ wie Buchweizen, Amaranth und Quinoa. Daneben existieren alte Getreidesorten, wie Kamut, Emmer, Gommer oder Waldstaudekorn. Die „Urgroßväter“ des Weizens und Hart-weizens werden heute beispielsweise im Wald-viertel wieder angebaut. Ihre Vorzüge liegen in der genetischen Vielfalt, im hohen Eiweißgehalt und in der besseren Anpassung an Klima-Schwankungen. Wer auf der Suche nach Produkten aus Urgetreide ist, zum Beispiel nach Kamutmehl oder Pasta aus Emmer, wird vorrangig im Reformhaus oder Bio-Laden fündig. Ein Umweg dorthin lohnt sich allemal. Denn Lebensmittel aus biologischer Landwirtschaft verbrauchen um ein Drittel weniger Primärenergie, was Klima und Umwelt zugute kommt. Zudem enthalten sie mehr Vitamine und Mineralstoffe sowie weniger Pestizidrückstände als Lebensmittel aus konventioneller Bewirtschaftung.



Gluten im Kreuzfeuer

Doch was hat es nun mit Gluten auf sich und warum scheinen immer mehr Menschen an einer Unverträglichkeit zu leiden? „Gluten oder Klebereiweiß bildet das Teiggerüst bei Brot und Gebäcken. Die Menge an Gluten ist für die Back-fähigkeit von Weizenmehl ausschlaggebend. Es sorgt dafür, dass das Gebäck aufgehen kann und später seine Form behält“, erzählt Ernährungs-expertin Geißler-Katzmann.
Dennoch verzichten immer mehr Menschen aus Angst vor einer Unverträglichkeit auf glutenhaltige Lebensmittel, was nicht selten ein Irrglaube ist. Theorien zur Entstehung von Unverträglichkeiten gibt es viele. Zum einen hat das industriell erzeugte Brot heute weniger „Gehzeit“, weshalb mehr Gluten und Enzyme beigefügt werden, um ein ähnliches Ergebnis zu erzielen. Gleichzeitig sind wir durch hoch verarbeitete Lebensmittel oft mit den gleichen Inhaltsstoffen konfrontiert.
Zum anderen haben wir unser Essverhalten an den schnelllebigen Alltag angepasst – Fastfood, essen unter Stress vor Computer oder Handy sowie schlechtes Kauen sind keine Seltenheit mehr. Nicht nur die Genetik, sondern auch ein veränderter Lebensmittelkonsum bei gleichzeitig steigenden Umweltgiften führt zu einem Anstieg an Unverträglichkeiten.



Kein Verzicht

Eine glutenfreie Ernährung ist nötig, wenn eine Zöliakie vorliegt. Dabei handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung, die ohne Ernährungsumstellung zu Entzündungen und schweren Schäden im Dünndarm führen kann. Die Krankheit muss per Bluttest und Biopsie abgeklärt werden. Die Expertin rät jedoch davon ab, einzig auf Verdacht Lebensmittel aus dem Speiseplan zu streichen. Bei einer Glutensensitivität ist im Gegensatz zur Zöliakie kein lebenslanger Glutenverzicht nötig, denn meist bessern sich die Beschwerden nach einer kurzen Zeit des Verzichts und eine Reduktion reicht aus. Die Devise: Auf Gluten sollte man nur dann verzichten, wenn es ärztlich angeordnet ist. Denn glutenfreie Alternativen, die von der Lebensmittelindustrie bereitgestellt werden, darunter Kekse, Brot oder Müsli, sind keinesfalls gesünder. Oft sind diese Produkte sogar stärker verarbeitet, da das fehlende Gluten durch allerlei Zusätze kompensiert wird. Auch gibt es bisher keinerlei Hinweise darauf, dass Glutenverzicht beim Abnehmen hilft. Stattdessen sollte man die Vielfalt und die Vorteile von Getreide ausschöpfen und die geschmackliche Vielfalt und die wertvollen Inhaltsstoffe der zahlreichen Getreide- und Pseudogetreidesorten nutzen. Denn sie haben einen hohen ernährungsphysiologischen Wert und schützen erwiesenermaßen vor einigen Krankheiten.

Ernährungswissenschaftlerinnen Mag. Julia Geißler-Katzmann

Gesund mit Getreide: Geben Sie Vollkorn-Produkten den Vorzug. Ballaststoffe binden Gifte und halten länger satt.


Vollkornbrot

Zutaten: 400 g Vollkornmehl, 100 g Weizenmehl, ca. 400 ml lauwarmes Wasser, 1 Würfel Germ, 1/2 TL Zucker, Brotgewürz nach Wahl (z.B. Kümmel, Koriander, Anis, Fenchel), 1,5 TL Salz, 1 EL Öl

Zubereitung: Den Backofen auf 240 Grad (Ober‐ und Unterhitze; 220 Grad Heißluft) vorheizen. Mehl in eine Schüssel geben, in die Mitte eine Mulde drücken und etwas Wasser (ca. 150 ml) hineingießen. Den Germ zerbröseln und mit Zucker im Wasser auflösen – dabei am besten mit einer Gabel umrühren. Das Dampfl bei Zimmertemperatur zugedeckt für 15 min stehen lassen. Anschließend die restlichen Zutaten (inkl. restliches Wasser: ca. 250 ml) hinzugeben und gut verkneten. Nur so viel Wasser hinzugeben, bis sich der Teig leicht vom Schüsselrand löst, aber nicht mehr klebrig ist. Bei Zimmertemperatur zugedeckt für ca. 45 min gehen lassen. Dann den Teig zu einem Laib formen, mit Wasser bepinseln und kreuzförmig einritzen. Auf ein mit Backpapier belegtes Blech legen. Für rund 15 min backen, auf 200 Grad zurückdrehen und für weitere 20 min backen lassen.

Variationen:
Nussbrot: 100–150 g Nüsse, ganz, grob gehackt oder gemahlen
Karottenbrot: 200 g Karotten, grob geraspelt
Kräuterbrot: 2–3 Knoblauchzehen, ca. 50 g frische, gemischte Kräuter
Vitalbrot: 50 g Leinsamen, 25 g Sonnenblumenkerne, 25 g Nüsse


Bagels & Semmeln

Zutaten: 500 g Mehl (z. B. Weizenmehl Type 700), 1 Pkg. Trockengerm, 1 TL Zucker, 1,5 TL Salz, 375 ml Wasser, ca. 40g Sesam, Mohn oder Sonnenblumenkerne für die Bagels

Zubereitung Bagels: Den Backofen auf 220 Grad (Ober- und Unterhitze; 200 Grad Heißluft) vorheizen. Mehl mit Trockengerm, Zucker und Salz in einer Schüssel vermischen. So viel Wasser hinzugeben, bis sich der Teig leicht vom Schüsselrand löst, aber nicht mehr klebrig ist. Etwas Mehl über den Teig streuen und zugedeckt an einem warmen Ort für ca. 40 min stehen lassen. Teig auf einer bemehlten Arbeitsfläche nochmals durchkneten und zu Kugeln à ca. 60 g formen, für zehn min gehen lassen. Einen bemehlten Finger oder Kochlöffel durch die Mitte der Kugel bohren und das Loch durch kreisende Bewegungen erweitern. Alternativ die Kugel auf einer bemehlten Arbeitsfläche zu fingerdicken Stangen rollen und anschließend die Enden miteinander gut glatt drücken. Bagels auf ein mit Back-papier belegtes Blech legen, ausreichend Abstand lassen, mit einem Tuch zudecken und 10 bis 15 min gehen lassen. Wasser in einem großen Topf zum Sieden bringen, pro Seite ca. 30 Sekunden darin ziehen lassen und auf einem Tuch abtropfen lassen. Mit Sesam bestreuen und im vorgeheizten Rohr ca. 25 min backen.


Karotten-Nuss-Weckerl

Zutaten: 10 g frischer Germ, 140 ml Apfelsaft, 50 g weiche Butter, 120 g geraspelte Karotten, 120 g geraspelter Apfel, 230 g Weizenmehl T700, 200 g Dinkelvollmehl, 120 g geriebene Walnüsse, 10 g Salz

Zubereitung: Germ im Apfelsaft auflösen. Mehle in eine Schüssel sieben, mit allen Zutaten außer der Butter zu einem homogenen Teig verkneten. Butter zum Schluss unterkneten. Es entsteht ein eher weicher Teig. Diesen zu einer Kugel geformt zum etwa doppelten Volumen aufgehen lassen. Teig aus der Schüssel nehmen, durchkneten und zu einer Rolle formen. In gleich schwere Teigstücke von etwa 80 g teilen. Die Teiglinge rund schleifen oder zu beliebigen Gebäckstücken formen. Auf einem mit Backpapier ausgelegten Backblech, mit genügend Abstand (4 bis 5 cm), ablegen, noch einmal ca. 30 min gehen lassen und mit Wasser besprühen. Im auf 200 Grad vorgeheizten Backofen ca. 25 min backen.


Glutenfreies Brot

Zutaten (für eine kleine Kastenform, ca. 20 cm): 130 g Buchweizen-, Hirseflocken oder andere glutenfreie Flocken, 60 g gehackte Nüsse, 120 g Sonnenblumenkerne, 85 g geschrotete Leinsamen, 4 TL Flohsamenschalen, 1 TL Salz, 3 TL flüssige Butter, 320 ml Wasser

Zubereitung: Am Vorabend alle trockenen Zutaten miteinander vermischen. Geschmolzene Butter und Wasser miteinander verrühren und mit den trockenen Zutaten gut vermischen. Eine kleine Kastenform mit Backpapier auslegen und die Masse in die Form füllen. Gleichmäßig verteilen und glatt streichen. Form mit einem feuchten Geschirrtuch abdecken und mindestens zwei Stunden, besser über Nacht, ruhen lassen. Nach der Ruhezeit das Brot bei 175 Grad Ober- und Unterhitze auf der mittleren Schiene 30 min backen, dann aus der Form nehmen und in weiteren 20 min fertig backen. Brot auf einem Gitter vollständig auskühlen lassen, dann lässt es sich ohne zu bröseln schneiden.


Text: Michaela Neubauer | Fotos: Adobe Stock photocrew/Acik/noirchocolate/Heike Jestram; Klaus Ranger; Istockphoto bhofack2
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