Krampf im Bauch

Hinter harmlos wirkenden Bauchschmerzen kann Morbus Crohn stecken. Die chronisch-entzündliche Darmerkrankung bleibt oft jahrelang unerkannt.

Morbus Crohn zählt neben Colitis ulcerosa zu den chronisch entzünd­lichen Darmerkrankungen. Nach Schätzungen der Österreichischen Morbus Crohn-Colitis ulcerosa Vereinigung (ÖMCCV) leiden rund 30.000 Menschen in Österreich an Morbus Crohn. Typisch dafür sind chronische Entzündungen im Verdauungstrakt und ein schubartiger Verlauf: Akute Krankheitsschübe wechseln sich mit beschwerdefreien Phasen ab. Während bei Colitis ulcerosa die Entzündungen nur im Dickdarm auftreten, kann bei Morbus Crohn der gesamte Verdauungstrakt betroffen sein. „Die Erkrankung beginnt häufig schon Monate oder Jahre, bevor stärkere Beschwerden auftreten, die zu einem Arztbesuch führen. Gängige Beschwerden sind Bauchschmerzen, die häufig im rechten Unterbauch auftauchen. Dazu kommen weicher Stuhl oder Durchfall, Eisenmangel und häufig leicht erhöhte Entzündungswerte im Blut. Manche Patientinnen und Patienten haben auch unspezifische Kreuz- oder andere Gelenkschmerzen“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Bernhard Angermayr, Facharzt für Gastroenterologie und Hepatologie in St. Pölten. In diesem Fall solle man nicht länger als drei Monate warten, um einen Facharzt, eine Fachärztin aufzusuchen und die Beschwerden abzuklären, warnt der Experte.

INTERVIEW | „GUTE LEBENSQUALITÄT WIEDERHERSTELLEN“

Univ.-Prof. Dr. Bernhard Angermayr, Facharzt für Gastroenterologie und Hepatologie in St. Pölten

Gibt es ein bestimmtes Lebensalter, in dem Morbus Crohn gehäuft auftritt?

Morbus Crohn kann in jedem Lebensalter auftreten. Meine jüngste Patientin war drei Jahre alt. Häufig wird die Diagnose im jungen Erwachsenenalter gestellt. Möglicherweise gibt es einen zweiten Erkrankungsgipfel ab 50 Jahren. Diese Häufung kann auch damit zusammenhängen, dass ab diesem Alter eine Darmspiegelung zur Darmkrebsvorsorge empfohlen wird. Möglicherweise wird im Rahmen dieser Untersuchung vermehrt
Morbus Crohn diagnostiziert.

Welchen Einfluss hat die Psyche auf die Erkrankung?

Das ist ein Henne-Ei-Problem und daher schwierig zu beurteilen. Die Psyche spielt eine Rolle, und chronische Verdauungsbeschwerden führen natürlich zu einer psychischen Belastung. Auf der anderen Seite haben Menschen mit gewissen psychischen Merkmalen ein höheres Risiko, an chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen zu leiden. Auch das Mikrobiom spielt eine Rolle. Möglicherweise führt dieses dazu, dass die Menschen diese psychischen Merkmale haben. Es ist also sehr komplex.

Wie kommt es zu falschen Beurteilungen des Beschwerdebilds?

Ein Hauptproblem in der gastroenterologischen Praxis ist, dass die Beschwerden häufig nur vermeintlich abgeklärt wurden. Obligat sind eine Laboruntersuchung und eine Magenspiegelung mit einer Entnahme von Gewebeproben aus dem Magen und Zwölffingerdarm. Besonders wichtig ist die Darmspiegelung bis in den Dünndarm, bei der eine Gewebeprobenentnahme aus allen Darmabschnitten erfolgen muss. Diese Untersuchung wird oft nicht vollständig durchgeführt. Ich hatte bereits einige Patientinnen und Patienten, deren Koloskopie-Ergebnisse nur vermeintlich unauffällig waren.

Welche Erfolge kann die ärztliche Behandlung erzielen?

Derzeit kann man die Erkrankung nicht heilen. Ziel der Behandlung ist, dass die Patientinnen und Patienten beschwerde- und entzündungsfrei werden und es auch bleiben. Das gelingt in der Regel meist, sodass wieder eine gute Lebensqualität hergestellt werden kann. Ich gehe aber davon aus, dass in Zukunft die Erkrankung tatsächlich geheilt werden kann, am ehesten über das Mikrobiom.


Text: Jacqueline Kacetl | Fotos: ADOBE STOCK/ LIGHTPOET; ZVG
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