Macht Ihr Job Sie krank?
Auseinandersetzungen am Arbeitsplatz kommen immer wieder vor. Was aber, wenn Angriffe der Kolleginnen und Kollegen oder der Arbeitgeber zur Regel werden?
Ist der Arbeitsalltag geprägt von Diskriminierungen und Beleidigungen, färbt das nicht nur auf die Leistung ab, sondern auch auf die psychische und physische Gesundheit. GESUND & LEBEN hat mit Mag. Sonja Rieder, Karriere Coach und Psychotherapeutin über Mobbing am Arbeitsplatz gesprochen.
Was ist Mobbing überhaupt und ab wann kann man von Mobbing am Arbeitsplatz sprechen?
Ich verwende gewöhnlich die Definition der Psychologin und Soziologin Christa Kolodej: „Mobbing beschreibt eine Konflikteskalation am Arbeitsplatz, bei der das Kräfteverhältnis zu Ungunsten einer Partei verschoben ist. Diese Konfliktpartei ist systematisch feindseligen Angriffen ausgesetzt, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken, häufig auftreten und zu maßgeblichen individuellen und betrieblichen Schädigungen führen können.“
Zusätzlich haben die Höchstgerichte in Österreich auch eine eigene Definition aufgebaut: „Unter Mobbing versteht man eine konfliktbelastete Kommunikation am Arbeitsplatz unter Kolleginnen und Kollegen oder zwischen Vorgesetzten und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, bei der die angegriffene Person unterlegen ist und von einer oder einigen Personen systematisch, oft und während längerer Zeit mit dem Ziel und/oder dem Effekt des Ausstoßes aus dem Arbeitsverhältnis direkt oder indirekt angegriffen wird."
Inwieweit leiden Betroffene psychisch und/oder körperlich unter Mobbing?
Menschen spüren bei Mobbing, dass sich die anderen von ihnen abwenden. Das ist evolutionsgeschichtlich – von unserer Abstammung aus der Savanne her – ein überaus bedrohliches Gefühl: Wer früher aus der Gemeinschaft ausgeschlossen wurde, war dem sicheren Tod ausgesetzt. Überleben war nur in der Gemeinschaft möglich. Häufige psychische Symptome sind Depression, Angstzustände, Panikattacken, Schlafstörungen und permanente Spannung ohne Chance, diese abzubauen. Langfristig können sich Traumafolgestörungen einstellen, die prominenteste ist das sogenannte posttraumatische Belastungssyndrom. Das kann sich natürlich auf den Körper schlagen, mit Symptomen wie Verdauungsproblemen, Kopfschmerzen, Verspannungen, Muskelschmerzen oder einer verstärkten Infekthäufigkeit. Das alles führt zu einer reduzierten Arbeitsleistung mit der Möglichkeit des Totalzusammenbruchs.
Welche persönlichen Kompetenzen können Mobbing-Betroffene vor gesundheitlichen Beeinträchtigungen schützen?
Ein gutes Privatleben, wohltuende soziale Beziehungen, ein Freundesnetzwerk, Hobbys, und allein auch das Faktum, sich nicht nur über den Beruf zu definieren, helfen. Dennoch können negative Folgen durch langandauerndes Mobbing nicht ausgeschlossen oder ganz verhindert werden.
Wir leben in einer Erfolgsgesellschaft, bei der man schnell die Wertschätzung für alles außerhalb der Arbeit verliert.
Daher gilt: Alles, was den Ausgleich zur Arbeit stärkt, hilft. Auch im Privaten kann man sich Ziele setzen, sogenannte „Wohlfühlziele“. Das sollte man als beruflich Engagierter unbedingt machen. Partner sollten die Stimmung des/der anderen gut im Auge behalten. So kann man sich gegenseitig unterstützen. Das Selbstwertgefühl sollte nicht allein auf der Arbeit gründen.
Wie reagiert man als Betroffener oder Kollege eines Betroffenen richtig auf Mobbing?
Als Betroffener gilt: Rasch und von Anfang an auf erste Anzeichen reagieren. Der eigenen Wahrnehmung trauen. Meiner Erfahrung nach stimmen eigene Vorahnungen und ein „ungutes Bauchgefühl“ in den allermeisten Fällen.
Hilfe holen, wo es nur geht. Allianzen im Unternehmen schmieden. Externe Beratungsangebote nutzen. Mobbingtagebuch führen, um später rechtliche Schritte einleiten zu können.
Als Kollegen: Wenn Mobbing als solches erkannt wird – nicht mitmachen! Wenn Angst vor Sanktionen durch andere gegeben sind, einfach das Vier-Augen-Gespräch mit Betroffenen in einem unbeobachteten Moment nutzen. Jede Sympathiebekundung und noch so kleine Unterstützung hilft!
Welche Reaktionen sind eher ungeeignet und warum?
Ungeeignet ist die Idee, schweres Mobbing einfach so wegstecken und aussitzen zu können. Die meisten tragen in dem Fall Schäden davon.
Es gibt Situationen, die man nicht gewinnen kann. Sobald man die Aussichtslosigkeit einer Lage erkennt (am besten mit Außenstehenden analysieren), sollte man den Ausstieg aus der Organisation überlegen.
Betroffene sagen mir dann manchmal, man dürfe doch nicht „weglaufen“. Oh doch, in gefährlichen, schädlichen Situationen ist genau das das Richtige!!
Text: Michaela Neubauer | Foto: ZVG, Unsplash