Leben mit Parkinson
Das beschleunigte Absterben der Nervenzellen im Gehirn ist für Betroffene eine starke Belastung.
Es waren unmerkliche Veränderungen, die Thomas S. vor vier Jahren stutzig machten. Der damals 49-Jährige merkte, dass seine Bewegungen nicht mehr so fließend waren, wie er es gewohnt war. „Die rechte Hand hat immer wieder gezittert. Beim Gehen ist mir aufgefallen, dass nur der linke Arm mitschwingt und der rechte Arm unbeweglich bleibt.“ Thomas konnte sich die seltsamen Symptome nicht erklären: „Ich dachte, dass ich eine Nervenentzündung habe.“ Es folgte ein Besuch beim Neurologen, um die Ursache der Bewegungsstörung abzuklären. Eine nuklearmedizinische Untersuchung (DaTSCAN) des Gehirns, bei der geschädigte und gesunde Nervenzellen mittels einer 3D-Aufnahme sichtbar gemacht werden, brachte die erschreckende Gewissheit: Morbus Parkinson. „Die Diagnose hat mir den Boden unter den Füßen weggezogen. Ich habe damit nicht gerechnet.“ Bis heute sitzt der Schock tief. Der Gedanke, an einer unheilbaren chronischen Erkrankung zu leiden, löste immer wieder depressive Phasen aus. Mittlerweile sei er psychisch stabiler, sagt Thomas S.: „Es gibt zwar immer noch Tage, an denen ich in ein schwarzes Loch falle. Aber die Zeitspanne, in der ich mich gut fühle, wird immer länger.“
Steigende Fallzahlen
Morbus Parkinson ist neben Alzheimer-Demenz die sich am schnellsten verbreitende neurologische Erkrankung. Die Zahl der Betroffenen weltweit hat sich von 2,5 Millionen im Jahr 1990 auf circa sechs Millionen im Jahr 2016 mehr als verdoppelt. Die Gründe sind auf die älter werdende Gesellschaft zurückzuführen. Aber auch Umweltrisiken wie Metalle, Pestizide und andere Chemikalien geraten zunehmend in den Fokus.
INTERVIEW | „Tai Chi, Klettern und Tanzen haben positive Effekte“
Welche Erfolge kann man mit der medikamentösen Behandlung von Parkinson erzielen?
Es ist leider immer noch so, dass wir die Erkrankung nicht heilen können. Wir können den ursächlichen Nervenzellverlust nicht einbremsen, stoppen oder umkehren. Aber wir können sehr gut symptomatisch behandeln. Sobald sich motorische Symptome zeigen, sollten Patientinnen und Patienten mit der medikamentösen Therapie beginnen. Der Goldstandard in der medikamentösen Therapie ist Levodopa bzw. L-Dopa. Es wird im Gehirn zu Dopamin umgewandelt. Die Lebensqualität kann so über Jahre hinweg auf einem tollen Niveau aufrechterhalten werden.
Gibt es einen typischen Krankheitsverlauf?
Die Erkrankung verläuft individuell unterschiedlich. Es gibt jedoch Subgruppen. Bei etwa dreißig Prozent aller Parkinson-Patientinnen und -Patienten tritt gar kein Zittern auf. Es gibt also den Typ, der kaum zittert, und den Typ, bei dem das Zittern zumindest gleich stark wie die Bewegungsarmut oder die Steifigkeit ausgeprägt ist. Beim tremor-dominanten Typ ist das Zittern das herausragende Merkmal. Es hat sich gezeigt, dass diese Personen einen besseren Verlauf haben. Das bedeutet, dass in späteren Jahren seltener Gangprobleme, Stürze oder geistige Einbußen auftreten.
Welche nicht-medikamentösen Therapieformen gibt es?
Je länger jemand erkrankt ist, umso mehr ist die nicht-medikamentöse Behandlungssäule relevant. Dazu gehört vor allem die Physiotherapie, um die Gangsicherheit zu erhalten und die Halte- und Stellreflexe zu trainieren. Die Ergotherapie zielt vor allem auf die Verbesserung von alltagsrelevanten Feinmotorik-Störungen. Da im Laufe der Erkrankung häufig Sprechstörungen oder Schluckbeschwerden auftreten, kommt auch die Logopädie zum Einsatz.
Wie empfehlenswert ist körperliche Aktivität?
Sportliche Betätigung, also etwa dreimal 30 Minuten milde Belastung pro Woche, kann auf den Krankheitsverlauf einen positiven Einfluss haben. Das ist noch nicht ausreichend untersucht, aber man weiß, dass der Nervenzelluntergang dadurch ein wenig gebremst werden kann. Bemerkenswert sind asiatische Kampfsportarten. Eine Untersuchung belegt, dass Tai Chi durch die tonische Muskelanspannung und die Notwendigkeit, die Balance zu halten, einen positiven Einfluss auf die Parkinson-Symptome haben kann. Aber auch Tanzen, besonders Tango, hat einen positiven Effekt. Dem regelmäßigen Klettertraining sagt man auch nach, dass es die Symptomkontrolle gut verbessern kann.
Text: Jacqueline Kacetl | Fotos: Dominik Müller
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