Neue Hoffnung bei Hauterkrankungen
Der Begriff „Off-Label-Use“ wurde im Zuge der Corona-Pandemie populär, spielt aber auch in der dermatologischen Behandlung eine immer größere Rolle.
Die Dermatologie habe sich in den letzten Jahren ein beachtliches therapeutisches Arsenal für Krankheiten wie Psoriasis (Schuppenflechte), atopische Dermatitis (Ekzem) und schwarzen Hautkrebs erarbeitet, sagt Prof. Dr. Johann Bauer, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie (ÖGDV). „Das bietet uns die Möglichkeit, mit bisher ungeahnter therapeutischer Effizienz in diesen, von den Arzneimittelbehörden zugelassenen Indikationen zu agieren. Gleichzeitig ist es nun möglich, dass diese neuen, zumeist immunmodulierenden Substanzen, auch bei anderen entzündlichen und malignen Erkrankungen außerhalb zugelassener Indikationsgebiete zum Einsatz kommen (Off-Label-Use)“, erklärt Bauer.
JAK-Inhibitoren bei Vitiligo
Vitiligo – die Weißfleckenkrankheit – ist eine der häufigsten Pigmentstörungen. Aufgrund der auffälligen, weißen Hautflecken geht sie oft mit einer massiven Einschränkung der Lebensqualität der Betroffenen einher. „Die meist über viele Monate bis Jahre durchzuführende Standardtherapie, die unter anderem Steroide und Lichttherapie umfasst, kann auch Nebenwirkungen haben. Daher wurde bisher vielen Patientinnen und Patienten nahegelegt, auf diese Therapie bei Vitiligo ganz zu verzichten“, erklärt Prof. Dr. Angelika Hofer, Leiterin der Vitiligoambulanz der Universitätsklinik für Dermatologie und Venerologie an der Medizinischen Universität Graz. Nun wurde ein entscheidender Fortschritt erzielt. „Studien haben gezeigt, dass Vitiligo durch sogenannte Januskinase-Inhibitoren (JAK-Inhibitoren) gehemmt werden kann“, so Hofer. Derzeit werden verschiedene lokal applizierte JAK-Inhibitoren in klinischen Studien getestet. Die Einführung der JAK-Inhibitoren stellt zweifellos eine entscheidende Weiterentwicklung der Vitiligotherapie da. In Einzelfällen konnte gezeigt werden, dass weiße Flecken, die über Jahre auf die verschiedenen Therapien nicht angesprochen hatten, unter JAK-Inhibitoren repigmentiert werden konnten. Die Studiendaten lassen insgesamt vermuten, dass durch eine Kombination lokale applizierter JAK-Inhibitoren mit einer regelmäßigen Sonnenexposition oder Lichttherapie noch bessere Ergebnisse zu erwarten sind“, erläutert Hofer.
Neue Behandlung bei kreisrundem Haarausfall
Der kreisrunde Haarausfall ist eine der häufigsten Autoimmunerkrankungen und betrifft mehr als 2% der Bevölkerung. Obwohl medizinisch ungefährlich, hat der Verlust der Kopf- und Körperbehaarung extreme Auswirkungen auf die psychische Gesundheit der Patientinnen und Patienten. Vor wenigen Wochen ist in den USA und Europa mit dem JAK-Inhibitor Baricitinib die erste systemische Therapie zur Behandlung der fortgeschrittenen Alopecia areata zugelassen worden. „Studien zeigen eine Ansprechrate von über 75% für diese bisher nur sehr schwer behandelbare Erkrankung“, sagt Prof. Priv.-Doz. Dr. Johannes Griss, Oberarzt an der Universitätsklinik für Dermatologie der Medizinischen Universität Wien. „Es ist sehr spannend, dass wir nun nach vielen Jahren Off-Label-Use erstmals eine zugelassene Therapie für diese häufige Erkrankung haben. Wir haben bereits an eigenen PatientInnen gesehen, dass die Ansprechraten teils hoch sind und der Therapieerfolg PatientInnen mehrmals wieder ein normales Leben erlaubt hat. Wir müssen uns jedoch auch im Klaren sein, dass wir die Langzeitfolgen dieser Therapie noch nicht kennen, sodass eine gewisse Vorsicht angebracht ist“, erklärt Griss.
Behandlung von chronischem Pruritus durch Off-Label-Use
Auch chronischer Pruritus (Juckreiz) im Allgemeinen und die chronische Prurigo (Juckblattersucht) im Speziellen gelten als sehr schwer behandelbare Symptome. Bisher gibt es keine zugelassenen Therapien für die Betroffenen. Aus diesem Grund sind derzeitige Behandlungen nahezu immer Off-Label-Einsätze von Medikamenten, die für andere Indikationen zugelassen sind und in Fallberichten, kleinen Fallserien oder kleineren Studien eine Reduktion von chronischem Pruritus gezeigt haben. „In Ermangelung zugelassener wirksamer Therapien sind Off-Label-Einsätze von Medikamenten aber erforderlich, um überhaupt eine Linderung für die geplagten PatientInnen erreichen zu können“, erklärt Prof. Dr. Franz Legat von der Universitätsklinik für Dermatologie und Venerologie an der Medizinischen Universität Graz.
„Nachdem diese Medikamente in anderen Bereichen schon im Einsatz sind, kennt man deren Nebenwirkungsprofil und sie können daher mit einer größeren Sicherheit verwendet werden. Auch wenn die Wirkungen solcher Off-Label-Therapien manchmal zufällig entdeckt wurden, haben sie zum Verständnis der Pathophysiologie des chronischen Pruritus beigetragen“, sagt Legat. „Oft führen Off-Label-Einsätze von Medikamenten bei guter Wirkung zum Anstoßen weiterer klinischer Untersuchungen und zur Durchführung von klinischen Studienprogrammen, die in weiterer Folge in Zulassungen dieser oder ähnlicher Medikamente für neue Indikationen münden.“
Text: Michaela Neubauer | Foto: Unsplash