Wahrheit oder Mythos?
Sie halten sich hartnäckig – vermeintlich schlaue Weisheiten rund ums Essen. Was ist dran? GESUND & LEBEN fragte nach bei der Diätologin und FH-Prof. Mag. Dr. Gabriele Leitner.
Kein guter Start in den Tag ohne Frühstück
In der Nacht erschöpfen sich die Energiereserven des Körpers, daher braucht er das Frühstück als Energielieferant – als Sprungbrett in den Tag. Am besten eignen sich Milchprodukte, Müsli, Obst, Brot oder ein Vollkornweckerl mit gesundem Belag. Der Zeitpunkt, wann das erste Mal gegessen wird, ist nicht so wichtig, das kann auch ein bis zwei Stunden nach dem Aufstehen sein. Frühstücksmuffel sollten aber zumindest etwas trinken, bevor sie aus dem Haus gehen – ein Glas Milch, verdünnten Obst- oder Gemüsesaft, Kakao, eine Tasse Kaffee usw.
Spätes Essen macht dick
Es kommt darauf an, was und wann Sie essen.Zwischen Abendessen und Schlafengehen sollten mindestens zwei Stunden liegen, denn wer in der Nacht zu viel verdauen muss, schläft schlechter. Schwer verdaulich sind Gebratenes, Frittiertes, Pizza, Mehlspeisen usw. Gut geeignet ist beispielsweise leichte mediterrane Kost, Fisch, Pasta, Gemüse, Salat. Das erklärt auch, warum Südeuropäer, die traditionell sehr spät abendessen, im Schnitt nicht dicker sind als wir. Wer allerdings mehr Energie aufnimmt, als er verbraucht, darf sich über Speckröllchen nicht wundern.
Nach 14 Uhr keine Rohkost mehr
Bei einem empfindlichen Verdauungstrakt kann Rohkost Probleme machen, in diesem Fall sollten Sie Gemüse besser garen. Sonst tut Rohkost immer gut, unabhängig von der Tageszeit – und Obst sowieso.
Trinken beim Essen macht Bauchweh
Grundsätzlich nicht. Durchs Trinken wird der Speichelfluss angeregt, das Essen wird so besser verdaut. Aber mit Maß und Ziel: Trinken Sie zu viel, kann es sein, dass die Magensäure verdünnt wird und sich dadurch der Verdauungsprozess verlangsamt. Achten Sie auch darauf, was Sie trinken, denn wir trinken auch zu viele Kalorien, z. B. in Limonaden. Greifen Sie lieber zu verdünntem Fruchtsaft oder Wasser. Ein einfacher Abnehm-Tipp: Vor dem Essen ein Glas Wasser trinken dämmt den Hunger ein und Sie essen weniger.
Zucker liefert rasch Energie
Ja, aber nur bedingt. Zucker liefert zwar schnelle Energie – der Blutzuckerspiegel steigt rasch an, fällt aber genauso rasch wieder. Zudem belastet ein hoher Blutzuckerspiegel die Bauchspeicheldrüse, die dann mehr Insulin produzieren muss. Mehr Energie und vor allem über einen längeren Zeitraum liefern Hülsenfrüchte, Erdäpfel und Vollkornprodukte.
Trinken nach Obstverzehr macht Bauchweh
Das war so zu Großmutters Zeiten. Es gibt zwar keine wissenschaftlichen Untersuchungen dazu, aber man kann davon ausgehen, dass Obst und Wasser sich heutzutage durchaus vertragen. Das Problem früher war nicht das Obst, sondern die damalige Trinkwasserqualität. Die Keime im Brunnenwasser haben in Kombination mit dem Fruchtzucker und den auf der Schale der Früchte sitzenden Hefepilzen einen Gärungsprozess im Darm ausgelöst, das führte zu Bauchweh und Durchfall. Heute ist das kein Problem mehr. Für Eis gilt das Gleiche. Wichtig: Nicht zu viel auf einmal!
Einmal täglich etwas Warmes essen
Nicht unbedingt. Es kommt vielmehr darauf an, was Sie essen – z. B. ein Vollkornbrot mit Schinken und Gurke ist wertvoller als ein Burger mit Pommes. Außerdem wird die Nahrung im Mund auf die „richtige“ Temperatur gebracht: Warmes wird durchs Kauen kälter und umgekehrt. Trotzdem sollte der Speiseplan nicht nur aus Kaltem bestehen, da das Nahrungsspektrum stark eingeschränkt wird. In Ausnahmefällen ist es aber kein Problem. Einige Lebensmittel müssen erhitzt werden, da sie sonst ungenießbar sind, wie Kartoffeln oder Bohnen. Fleisch, Geflügel und Eier sollten Sie aus hygienischen Gründen nicht roh essen.
Ein voller Bauch studiert nicht gern
Das stimmt. Nach dem Essen ist man nicht besonders motiviert, der Körper ist mit der Verdauung beschäftigt. Wie schnell man wieder leistungsfähig ist, hängt von der Menge und Zusammensetzung des Essens ab. Eine gesunde Mahlzeit macht Sie schneller wieder fit als eine schwer verdauliche. Nach etwa einer halben Stunde Pause steigt Ihre Leistungskurve wieder.
Karotten sind gut für die Augen
Das stimmt bedingt. Eine Sehschwäche können Sie durch übermäßigen Karottenverzehr nicht verbessern. Was Karotten allerdings können: Sie enthalten viel Betacarotin, eine Vorstufe von Vitamin A, das am Aufbau des Sehpurpurs beteilig ist und für einen guten Durchblick im Dunkeln sorgt. Ein Vitamin-A-Mangel kann zu Problemen führen, z. B. nachts beim Autofahren. Dieser Mangel kommt bei uns im Gegensatz zu manchen Entwicklungsländern kaum vor, da wir rote, gelbe, aber auch dunkelgrüne Früchte und Gemüse essen, und Vitamin A auch in Eiern, Butter, Milch, Käse und Seefisch enthalten ist.
Margarine ist gesünder als Butter
Das stimmt nicht. Das stimmt nicht. Beide Fette haben ihre Existenzberechtigung, der Energiegehalt ist annähernd gleich. Für die Figur spielt es keine Rolle, welches Fett Sie verwenden. Bei Butter handelt es sich um ein Naturprodukt, Margarine ist ein Hightech-Produkt. Butter enthält allerdings mehr gesättigte Fettsäuren und Cholesterin. Haben Sie ein gesundheitliches Problem, z. B. erhöhte Blutfettwerte etc., dann sollten Sie zu Margarine greifen. Alle anderen dürfen Butter durchaus genießen – in Maßen. Wie schon Paracelsus sagte: „Die Dosis macht das Gift.“
Kinder brauchen Fleisch zum Wachsen
Ja und nein. Positiv an – magerem – Fleisch: Es liefert hochwertiges Eiweiß und Eisen, das vom Körper besonders gut aufgenommen wird. Tierisches Eiweiß ist unserem Körpereiweiß sehr ähnlich und kann zu einem hohen Prozentsatz zum Aufbau von Körpereiweiß genutzt werden. Eisen ist wichtig für den Sauerstofftransport im Blut. Daher ist es auch für Kinder durchaus sinnvoll, zwei- bis dreimal pro Woche Fleisch zu essen – nicht im Übermaß. Unentbehrlich ist Fleisch für Kinder damit aber nicht, da auch pflanzliche Lebensmittel wie Getreide, Hülsenfrüchte und Nüsse Eiweiß und Eisen enthalten. Hier müssen die Lebensmittel aber geschickt kombiniert werden, damit die Inhaltsstoffe vom Körper optimal genutzt werden können.
Vitaminpräparate tun dem Körper gut
Die Nahrung liefert uns alle nötigen Nährstoffe. Mit einer normalen gemischten Kost decken Sie Ihren Vitaminbedarf ab und brauchen keine zusätzliche Präparate. In Ausnahmefällen ist eine gezielte Ergänzung unter Umständen sinnvoll, z. B. im Leistungssport, bei viel Stress oder in der Schwangerschaft. Das Gleiche gilt für Kinder: nur in Ausnahmesituationen. Im Normalfall sind Supplemente nicht notwendig. Obst, Gemüse und Vollkorn sind die bessere Wahl. Eine ausgewogene Mischkost liefert alle Vitamine und Mineralstoffe, die Kinder brauchen.
Kinderlebensmittel – das Beste für mein Kind?
Sie tragen plakative Aufdrucke wie „extra für Kinder“, sind in schillerndem Rot, Grün oder Gelb aufgemacht oder auch mit lustigen Fantasiegestalten oder bekannten Comic-Helden geschmückt: Lebensmittel, die Kinder besonders ansprechen und den Eindruck erwecken, speziell für die kleine Kundschaft gemacht zu sein. Viele Verbraucher gehen davon aus, dass sie im Zucker-, Fett- und Salzgehalt an die Bedürfnisse von Kindern angepasst und gesund sind – wegen einer speziellen Nährstoffanreicherung, der Extraportion gesunder Milch usw. Leider weit gefehlt, in ihrer Zusammensetzung sind diese Produkte alles andere als maßgeschneidert. Von Ernährungswissenschaftern und Fachexperten wie der Diaetologin FH-Prof. Mag. Dr. Gabriele Leitner werden sogenannte Kinderprodukte immer wieder als überflüssig bezeichnet: „Die Werbung vermittelt ein falsches Bild. Kinderlebensmittel enthalten immer einen hohen Zucker- und Fettanteil. Diese Produkte sind auch sehr teuer, wohingegen eine Tomate, ein Radieschen oder Joghurt viel billiger und gesünder wäre. Kinderlebensmittel liefern einen Beitrag zur Über-ernährung, ein gesundheitlicher Wert ist nicht vorhanden.“
Extraportionen für Ihr Kind? Viele Eltern haben Angst, dass in der täglichen Kost zu wenig Vitamine oder Mineralstoffe enthalten sein könnten. Im Gegenteil: Wer sich ausgewogen ernährt, muss keine Nährstoffunterversorgung und schon gar keinen Nährstoffmangel fürchten. Zumal eine rechnerische Unterversorgung – etwa, weil an einem Tag mehr Fast Food als knackiges Obst und Gemüse auf dem Speiseplan stand – längst nicht zu einem Mangel führt. Schwankungen bei der Vitamin- und Mineralstoffzufuhr kann der gesunde Körper ohne Probleme ausgleichen.Ohne Zuckerzusatz? Der Verweis auf keinen Zuckerzusatz ist beliebt, heißt aber nicht, dass kein Zucker vorhanden ist. Auch wenn ein Produkt mit Fruchtzucker oder der natürlichen Süße von Früchten gesüßt ist, ist es „gezuckert“.
Text: Karin Schrammel | Fotos: Bildagentur Waldhäusl, Fotolia
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