Weihnachten ohne Sorgen

Die schönste Zeit des Jahres erleben vielen Menschen ganz anders, als es das Klischee vorschreibt. Das weiß Psychiater Dr. Gerald Grundschober nur zu gut. Sein Rat: Weihnachten einen individuellen, neuen Sinn geben.

Die Vorweihnachtszeit beginnt meist schon im November ... oder sogar im September mit ersten Weihnachtsartikeln in den Geschäften. Und für viele beginnen damit Hektik und Stress. Man muss die richtigen Geschenke finden, Kekse backen, die Wohnung putzen, das Haus beleuchten. Für die meisten Menschen sind diese Tätigkeiten Rituale, die sie positiv erleben. Manchmal entsteht aber auch ungeheurer Druck. Die Zeit vor Weihnachten ist zudem oft eine Belastung für die Geldbörse und für den Körper: zu viele Adventmärkte, zu fettiges und zu süßes Essen, zu viel Alkohol.

Für Kinder kann Weihnachten ... ebenfalls eine hohe Belastung sein. Oft sind die Familienmitglieder über das Jahr nicht regelmäßig zusammen und dann ist man viele Tage auf engem Raum bei vielen Familientreffen dicht verbunden. Und es gibt auch eine hohe Erwartungshaltung an diese Festtage. Wir träumen doch alle von der Bilderbuch-Familie.

Erwachsene erleben Weihnachten ... ganz anders als Kinder. Letztere fiebern oft schon Monate auf dieses Fest hin. Sie wissen, dass es Geschenke gibt und Ferien sind. Für Erwachsene ist dieser Zauber oft verloren gegangen. Sie verweigern sich dieser Stimmung oder sie sind schon erschöpft von der Vorweihnachtszeit und den allgemeinen hohen Erwartungen an diese Festtage. Für viele Menschen ist auch die religiöse Bedeutung dieser Zeit verschwunden. Dadurch entsteht ein Vakuum, das man füllen muss. Nur: Oft ist man hierbei überfordert oder hilflos.

Menschen, die körperlich oder psychisch krank sind ... leiden besonders. Medien transportieren rund um die Uhr Informationen mit Frohbotschaften. Man kommt dieser – fast könnte man sagen verordneten – Weihnachtsstimmung nicht aus. Der leidende Mensch spürt noch mehr seine Außenseiterrolle und negative Gefühle können größer werden.

Für alleinstehende Menschen sind diese Festtage ... eine große Herausforderung. Und: Ihre Zahl nimmt stetig zu. Besonders in den Städten wohnen immer mehr Menschen allein. Auch durch das zunehmende Alter gibt es mehr Alleinstehende.

Die Zeit um den Jahreswechsel ... hat meist die Bedeutung einer Jahresbilanz. Häufig gibt es den Wunsch, dass im kommenden Jahr alles anders werden soll. Man merkt aber auch, was sich in dem gerade ablaufenden Jahr verändert hat. Oft konzentriert man sich nur auf das Negative, auf die Verluste. Wird man älter, sind manche Familienmitglieder, Freunde oder auch der Partner bereits verstorben. Das kann Krisen hervorrufen. Auch scheint rund um den Jahreswechsel verhältnismäßig wenig Sonne. Dies kann zu einer saisonalen Depression führen.

Manchen Menschen gelingt es, die Festtage ... ganz neutral zu sehen, sie nicht mehr wahrzunehmen und nicht mehr zu feiern. Vordergründig ist das auch eine Lösung. In vielen Fällen erlebt man dann in den Gesprächen tiefliegende Enttäuschungen aus der Vergangenheit und eher eine seelische Verhärtung.

Weihnachten neu zu finden ... ist für Erwachsene ganz wichtig. Wir müssen versuchen, dem Fest einen neuen Sinn zu geben. Solange man Kinder hat, wird man noch ein wenig mitgetragen. Aber was ist dann? Mein Rat: Schauen Sie sich nach Aktivitäten um. Machen Sie lange Spaziergänge. Besuchen Sie Menschen, die Sie lange nicht gesehen haben. Kochen Sie gemeinsam. Gönnen Sie sich selbst ein Geschenk. Wichtig ist, dass wir für diese Tage einen Plan haben. Vielleicht kann man auch neue Rituale finden oder alte einfach neu interpretieren.

 

Wohin kann ich mich in einer Krise wenden?

Telefonseelsorge - täglich 0–24 Uhr

NÖ Frauentelefon - bietet kostenlose und vertrauliche Erstberatung für Frauen jeden Alters, die unter einer belastenden Situation leiden.

Ö3 Rotes Kreuz Kummernummer - ist aus allen Netzen zum Nulltarif erreichbar, absolut anonym; täglich von 16 bis 24 Uhr. Die Ö3-Kummernummer ist eine Erstanlaufstelle für alle Menschen in persönlichen Notlagen.


Text: Heinz Bidner | Foto: Unsplash

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