„Wer nichts weiß, muss alles glauben!“

Die Science Busters Martin Moder, Florian Freistetter und Martin Puntigam im Interview über Wissenschaftsfeindlichkeit und wieso man nicht alle Impfgegner in einen Topf werfen darf.

Die Science Busters: Peter Weinberger, Elisabeth Oberzaucher, Florian Freistetter, Martin Puntigam, Martin Moder, Günther Paal und Helmut Jungwirth mit Hund Woody

Was macht eine gute Wissenschaftskommunikation aus?

Freistetter: Es muss einem klar sein, dass man nie alle Menschen mit derselben Methode erreichen kann. Zugleich aber muss man alle Wege nutzen, die einem zur Verfügung stehen, um möglichst viele Leute zu erreichen. Meine Erfahrung ist auch, dass erfolgreiche Wissenschaftsvermittlung zu einem nicht zu kleinen Teil persönlich sein muss.  

Puntigam: Das ist auch der Grund, wieso wir auf der Bühne viele private Dinge herzeigen, Kinderfotos zum Beispiel oder andere peinliche Sachen. Ich bringe die Wissenschafter und Wissenschafterinnen der Science Busters immer dazu, mir die Thematiken so zu erklären, dass ich sie verstehen kann. Denn das ist eine gute Ausgangslage dafür, dass auch alle anderen sie verstehen. 


Wie sieht es mit der gesellschaftlichen Wahrnehmung von Wissenschaft aus? Bemerken Sie eine gewisse Wissenschaftsfeindlichkeit?

Freistetter:  Aktuelle Daten des Europabarometers (eine in regelmäßigen Abständen von der Europäischen Kommission in Auftrag gegebene öffentliche Meinungsumfrage in den EU-Ländern; Anm.) beschäftigen sich mit der Einstellung diverser EU-Länder zur Wissenschaft. Österreich ist hier oft weit vorne – und zwar in den Kategorien, in denen man eigentlich nicht vorne sein will. 53 Prozent der Menschen in Österreich denken, es ist nicht wichtig für das eigene Leben, über Wissenschaft Bescheid zu wissen. Nur in Bulgarien und Griechenland hält man Wissenschaft für noch unwichtiger. Wenn es um die Unlust geht, etwas über Wissenschaft zu lernen, liegt nur Kroatien vor uns. Zählt man diejenigen, die ganz direkt sagen, dass sie nicht daran interessiert sind, etwas über Wissenschaft zu lernen, findet man sogar nirgendwo mehr als in Österreich. Kurz: Wir sind bei den Ländern dabei, die es mit der Wissenschaft nicht so haben. Dazu passt auch eine Studie der Uni Wien, die besagt, dass sich der Großteil eher auf den eigenen Hausverstand verlässt als auf das, was die Wissenschaft sagt. 

Moder: Wissenschaft wird in Österreich als etwas Elitäres empfunden, als etwas „von denen da oben“. Sie ist nicht so sehr in der Bevölkerung
verankert wie in anderen Ländern.

Freistetter: Und hier ist wieder die Wissenschaftskommunikation gefragt. Man muss vermitteln, dass Wissenschaft nichts ist, das komische Leute hinter verschlossenen Türen machen, sondern etwas, das unser Alltag ist. Das jeden von uns betrifft. Es kann also nur gut sein, zumindest ein bisschen zu wissen, was da so los ist. 


Seit Corona steht Wissenschaft stark im öffentlichen Fokus. Gut so?

Freistetter: Seit Corona kann es nicht genug Wissenschaft geben! Ich würde mir wünschen, dass die Wissenschaft noch mehr in der Öffentlichkeit steht, aber anders als jetzt. Heißt: nicht nur in Krisensituationen und nicht nur als jene Menschen, die etwas „Böses“ wollen – Lockdown etc. –, sondern sie sollte fixer Bestandteil des Alltags werden. Es gäbe genug, worüber es zu reden gilt!


Aktuell gibt es rund neun Millionen Impf- und Virenexperten ...

Moder: Das ist etwas typisch Österreichisches! Jeder ist immer Experte von dem, was gerade aktuell ist. Corona betrifft eben uns alle, man hat nicht mehr die nötige Distanz dazu. Es wird schwierig zu unterscheiden, ob man nun tatsächlich etwas von der Materie versteht oder nicht. In der Regel ist es so, dass man sich weniger auskennt, als man es gerne hätte. 

53 Prozent der Menschen in Österreich denken, es ist nicht wichtig für das eigene Leben, über Wissenschaft Bescheid zu wissen.


Text: Manuel Simbürger | Foto: INGO PERTRAMER/BÜRO ALBA
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