Die Leber leidet still

Jeder Vierte ist hierzulande von einer Fettleber betroffen. Unbehandelt kann diese sogar zu Leberkrebs führen. Die gute Nachricht: Die Leber lässt sich, sofern sie noch nicht massiv geschädigt ist, regenerieren. GESUND & LEBEN verrät, wie das funktioniert.

Sie ist neben den Nieren unser wichtigstes Entgiftungsorgan und sorgt als Stoffwechsel-Superstar für die Verwertung, Umwandlung und Speicherung von wichtigen Nährstoffen aus der Nahrung. Mit rund 1,5 kg Gewicht ist die Leber außerdem eines unserer größten Organe und führt mit ihren rund drei Millionen Leberzellen etwa 500 verschiedene biochemische Prozesse durch. Unter anderem wandelt sie nicht sofort verwertbaren Blutzucker als Energie­reserve in Fette um, hält den Zuckerspiegel im Blut konstant und gibt Vitamine sowie Mineralien wie Eisen und Kupfer ans Blut ab, wenn diese gebraucht werden. Dazu fließt unsere Gesamtblutmenge rund 350- bis 400-mal täglich durch die Leber.

Jeder Vierte hat Fettleber

Doch leider führt dieses wichtige Organ auch eine andere Zahlenstatistik an, wie Univ.-Prof. Dr. Herbert Tilg, Direktor der Universitätsklinik für Innere Medizin I an der Medizinischen Universität Innsbruck, erläutert: „Rund 25 Prozent aller Österreicherinnen und Österreicher sind von einer Fettleber betroffen.“ Während die alkoholische Fettleber von zu hohem Alkoholkonsum ausgelöst wird, ist die Ursache für die nicht-alkoholische Fettleber, die auf dem Vormarsch ist, hauptsächlich in ungesunder Ernährung zu suchen. „Vereinfacht kann man sagen: Je größer das Nahrungsüberangebot über die Zeit ist, desto höher ist der Anteil an Fettleber-Betroffenen“, so Tilg. Auf den Punkt gebracht: Wir essen zu viel und davon das Falsche. Schnell verfügbare Kohlenhydrate, minderwertige Fette, zu viel Zucker, Fertigprodukte.
Auch Alkoholkonsum trägt zur nichtalkoholischen Fettleber bei, betont Tilg: „Er schädigt die Leber nicht nur durch seine Inhaltsstoffe, sondern hat auch einen hohen Kalorienanteil. Kombiniert mit zu wenig Bewegung ist dies fast schon ein Garant dafür, im Laufe des Lebens eine Fettleber zu entwickeln“, warnt Tilg.

 

Univ.-Prof. Dr. Herbert Tilg, Universitätsklinik Innsbruck

 
 

Neue Therapie Hoffnung bei Fettleber

Jüngste Studienerkenntnisse eines Wiener Forschungsteams geben Hoffnung für neue Therapien bei Fettleber.

Sind Kohlenhydrate nicht sofort verwertbar, werden sie unter anderem von der Leber in Fett umgewandelt und über Lipidpartikel ins Fettgewebe exportiert, um sie dort als Energiereserve zu speichern. Die Leber schützt sich dadurch vor Verfettung. Im Zentrum dieses Stoffwechselweges steht das Hormon Leptin. Neben der Vermittlung des Sättigungs­gefühls ist es auch an der Regulation des Glukose- und Fettstoffwechsels beteiligt. Diese Effekte werden unter anderem über den Vagusnerv vermittelt, der das Gehirn mit der Leber verbindet. Ein Wiener Forschungsteam rund um Studienleiter Assoz. Prof. Dr. Thomas Scherer von der Klinischen Abteilung für Endokrinologie und Stoffwechsel (MedUni Wien und AKH) hat den Fettexport unter Leptin bei gesunden Menschen und bei Lebertransplantierten, die keine Vagus-Verbindung zum Gehirn besitzen, untersucht.

Die Studie

Die Forschenden konnten im Tier­modell zeigen, dass Leptin die Freisetzung von Lipiden aus der Leber stimuliert und gleichzeitig die Neuproduktion von Fetten unterdrückt, wodurch der Leberfettgehalt sank. Dieser Effekt war abhängig von einer intakten nervalen Verbindung des Gehirns mit der Leber und wurde nach Durchtrennung des Vagusnervs aufgehoben. Die Wissenschafterinnen und Wissenschafter testeten nun, ob ein vergleichbarer Mechanismus den Leberfettstoffwechsel beim Menschen reguliert. Sie stellten fest, dass eine einmalige Metreleptin-Injektion (künstlich hergestelltes Leptin) Fett aus der Leber gesunder, normalgewichtiger Männer mobilisierte und den Leberfettgehalt senkte. Nach Stimulation des autonomen Nervensystems durch „Schein­essen“, einem natürlichen Vagusstimulus, trat ein ähnlicher Effekt auf. Hingegen verlor Metreleptin bei Patientinnen und Patienten, deren Leber durch eine Transplantation nicht mehr mit dem Gehirn verbunden ist, seine Wirkung auf die Fettmobilisierung aus der Leber.

Zukünftige Therapien

„Unsere Erkenntnisse deuten darauf hin, dass Leptin die Entwicklung einer Fettleber unabhängig von seiner appetithemmenden Wirkung verhindern kann“, erläutert Scherer. Zukünftig könnten diese Erkenntnisse als Basis für neue Therapien dienen. „Zum einen für Patientinnen und -Patienten mit Fettleber und niedrigem Leptin und Betroffene von Lipodystrophien, die kein Fettgewebe haben. Zum anderen für Personen mit Adipositas und Fettlebererkrankung, bei denen Leptin im Gehirn – vermutlich durch einen defekten Transport über die Blut-Hirn-Schranke – nicht mehr wirkt, könnten gehirngängige Leptinformulierungen bzw. eine intranasale Leptingabe angedacht werden“, führt Scherer aus. „Zudem könnten die Erkenntnisse rund um die Verbindung von Gehirn und Leber auch pharmakologisch eingesetzt und das Gehirn bei Krankheiten wie Diabetes, Adipositas oder anderen Stoffwechsel­erkrankungen zum potenziellen Zielorgan von Medikamenten werden.“

 

Assoz. Prof. Dr. Thomas Scherer, MedUni und AKH Wien

 

Text: Claudia Sebunk | Fotos: iStock_decade3d; Gerhard Berger; beigestellt
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Wenn Zeit nicht alle Wunden heilt