Schluss mit Kreuzschmerzen

Rückenschmerzen sind ein Volksleiden, von dem auch junge Menschen betroffen sind. GESUND & LEBEN erläutert, wie man den Schmerz besiegen kann und wann Vorsicht geboten ist.

Österreich ist ein Kreuzwehland. Laut Statistik Austria nehmen Rückenleiden den traurigen Spitzenplatz unter den gesundheitlichen Problemen ein: Rund 1,9 Millionen Österreicherinnen und Österreicher sind im Laufe ihres Lebens betroffen. Doch wie lässt sich diese hohe Zahl erklären? „Die Ursache liegt sicherlich in der heutigen Lebensweise“, betont Prim. Dr. Karl Miedler, MBA, Leiter der Abteilung für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie am Landesklinikum Zwettl. „Bewegungsmangel, Übergewicht, falsche Haltungen beim Tragen und Heben, Fehlbelastung und Überlastung der Rückenmuskulatur, aber auch Stress und Ängste sind allgemeine Risikofaktoren.“ In den meisten Fällen handle es sich lediglich um muskuläre Verspannungen, macht Miedler Mut: Bandscheibenvorfälle, Wirbelkörpereinbrüche im Rahmen einer Osteoporose oder entzündliche Bandscheibenerkrankungen kommen wesentlich seltener vor als weithin angenommen. Allerdings können Rückenschmerzen auch ein Symptom von Erkrankungen der inneren Organe wie Eierstock- oder Nierenbeckenentzündungen sein. Besonders bedenklich: Auch immer mehr junge Menschen werden im Alltag von Rückenschmerzen geplagt. „Gerade die junge Generation muss verstehen, dass schon lange vor dem Auftreten von Beschwerden vorgebeugt werden kann. Von Kindheit an sind regelmäßige Bewegung im Freien, Sport und gesunde Ernährung die wichtigsten Vorsorgemaßnahmen. Auch die Optimierung der Bewegungsabläufe und die Verbesserung der Ergonomie am Arbeitsplatz sind wichtige Eckpfeiler der Prävention“, fordert der Arzt zu einem Umdenken auf.

 

„Die Ursache liegt sicherlich in der heutigen Lebensweise. Bewegungsmangel, Übergewicht, falsche Haltungen beim Tragen und Heben, Fehlbelastung und Überlastung der Rückenmuskulatur, aber auch Stress und Ängste sind allgemeine Risikofaktoren.“

Spezifisch & unspezifisch

Grob lassen sich die Beschwerden in spezifische und unspezifische Rückenschmerzen einteilen. „Spezifische Rückenschmerzen werden durch eine bestimmte Krankheit, zum Beispiel Knochenbrüche, Infektionen, Bandscheibenvorfälle, Tumoren oder Rheuma, ausgelöst. Bei unspezifischen Rückenschmerzen kann wiederum keine ernsthafte Ursache gefunden werden“, erklärt Miedler. Während die spezifischen Rückenschmerzen eine umgehende ärztliche Untersuchung und Therapie bedingen, besteht bei den wesentlich häufigeren unspezifischen Rückenschmerzen kein akuter Begutachtungsbedarf. „Jedoch ist die Unterscheidung der beiden Schmerz­arten für Laien schwierig. Als Richtlinie, ab wann eine Ärztin oder ein Arzt aufgesucht werden sollte, gelten daher unter anderem das Auftreten von Taubheitsgefühl und Lähmungen der Beine, Störungen beim Wasserlassen und/oder Stuhlgang, Fieber, Gewichtsverlust oder andere unklare Krankheitssymptome. Ebenso sollte, wenn sich die Beschwerden nach drei bis fünf Tagen nicht gebessert haben, eine Ärztin beziehungsweise ein Arzt für Allgemeinmedizin die erste Anlaufstelle sein. Dort kann aufgrund der beschriebenen Beschwerden und der körperlichen Untersuchung unterschieden werden, ob ein banaler oder ein rasch abzuklärender Rückenschmerz vorliegt“, sagt der Experte. Eine bildgebende Diagnostik mittels Röntgen ist in den meisten Fällen nicht erforderlich. Bestehen die Beschwerden jedoch länger oder liegt der Verdacht auf einen spezifischen Rückenschmerz nahe, können auch eine MRT- oder CT-Untersuchung angeordnet werden. „Die Indikation dafür soll aber nicht leichtfertig gestellt werden“, betont Miedler.

Chronifizierung verhindern

Die Behandlungsstränge von Rückenschmerzen unterscheiden sich je nach Dauer der Beschwerden. Während man unter akuten Rückenschmerzen jene Beschwerden versteht, die bis zu sechs Wochen andauern können, weisen subakute Rückenschmerzen eine Dauer von bis zu zwölf Wochen und chronische Rückenschmerzen von mehr als zwölf Wochen auf. „Bei akuten unspezifischen Rückenschmerzen setzen wir heute auf eine möglichst schnelle Mobilisierung. Das bedeutet konkret: Von Bettruhe wird abgeraten, sanfte Bewegung und körperliche Aktivität werden hingegen empfohlen. Ziel ist es, dass die Betroffenen frühzeitig ihre üblichen Alltagsaktivitäten wieder aufnehmen können“, erklärt Miedler. Unterstützt werden diese Maßnahmen durch lokale, äußerliche Präparate wie Gels oder Salben und Schmerzmittel. Meistens kommen zunächst Wirkstoffe aus der Gruppe NSAR zum Einsatz. Diese wirken nicht nur schmerzlindernd, sondern auch entzündungshemmend. „Grundsätzlich sollen diese in der niedrigsten wirksamen Dosis und so kurzzeitig wie möglich eingesetzt werden. Reichen diese Medikamente nicht aus, stehen andere Substanzgruppen ergänzend zur Verfügung“, so der Arzt. Bei länger anhaltenden Beschwerden sollte in jedem Fall eine konsequente physiotherapeutische Behandlung angedacht werden, ist Miedler überzeugt: „Ziel muss es sein, ein Chronifizieren der Beschwerden zu verhindern.“ Denn sind die Schmerzen erst einmal im Schmerzgedächtnis (siehe S. 34) der Patientin beziehungsweise des Patienten verankert, wird die Therapie immer aufwändiger.

Lebensstiländerung statt Operation

Im Gegensatz zu früher ist man heute mit der operativen Therapie bei chronischen Rückenschmerzen viel zurückhaltender: „Weniger als zehn Prozent dieser Patientinnen und Patienten bedürfen einer operativen Versorgung. Lediglich bei Störungen der Blasen- oder Mastdarmfunktion, bei Lähmungen, Gefühlsstörungen, Taubheitsgefühl und sich verschlimmernden therapieresistenten Schmerzen ist eine Operation zu überlegen. Anders verhält es sich natürlich bei Knochenbrüchen, Tumoren oder Metastasen. In diesen Fällen ist eine Operation häufig nicht vermeidbar“, sagt Miedler. In jedem Fall ist eine Änderung des Lebensstils sowie ein multimodales Therapiekonzept anzuraten, bei welchem verschiedene Behandlungsbausteine kombiniert werden. Ergänzend ist in einigen Fällen eine unterstützende psychologische Betreuung erforderlich. „Der multimodale Ansatz mittels Bewegungstherapien, Kraft- bzw. Ausdauertraining, Entspannungsübungen und bei Bedarf ergänzender mentaler Betreuung führt vielfach zum Erfolg. Die Betroffenen sollen lernen, dass sie selbst zu ihrer Gesundheit etwas beitragen müssen. Natürlich unterstützen Ärztinnen und Ärzte, Physiotherapeutinnen und -therapeuten sowie Psychologinnen und Psychologen gerne, letztendlich ist jedoch jede Patientin und jeder Patient dazu aufgefordert, Verantwortung für sich selbst zu übernehmen“, weiß der Experte.


„Es ist nie zu spät für ein gezieltes Therapieprogramm“

 

Prim. Dr. Johannes Püspök, Ärztlicher Leiter Moorheilbad Harbach

 

Wie kann man Rückenbeschwerden vorbeugen?

Die beste Präventionsmaßnahme ist körperliche Betätigung. Durch Bewegungsmangel und unseren überwiegend sitzenden Lebensstil kommt es zum Abbau der Muskulatur und zur Abnahme der Wirbelsäulenstabilität. Eine gezielte Wirbelsäulenheilgymnastik als fixer Bestandteil der Tagesroutine beugt diesem Abbau vor. Sportarten wie Radfahren oder Spazierengehen helfen zusätzlich dabei, die Entstehung unspezifischer Rückenschmerzen zu verhindern. Dabei muss es sich nicht unbedingt um anstrengende körperliche Betätigung handeln – auch mäßige Bewegung ist besser als gar keine Bewegung.


Wie erreicht man den maximalen Therapieerfolg?

Kann eine spezifische Ursache für den Schmerz ausgeschlossen werden, sollte man ehestmöglich mit einer medikamentösen Therapie starten, um die akute Schmerzphase rasch zu bewältigen. In dieser Phase gibt es zusätzlich eine breite Palette an Möglichkeiten, aus denen die Patientinnen und Patienten wählen können, beispielsweise Heilgymnastik oder ein sportliches Training in Kombination mit Wärmetherapie, Faszientherapie oder Infiltration.
So lässt sich neben der präventiven Phase gleichzeitig eine kurative Phase einleiten. Von körperlicher Schonung und Vermeidungsverhalten sollte man unbedingt absehen, da diese einen negativen Kreislauf in Gang setzen.


Wann sollten Rückenschmerzen-Patientinnen und -Patienten über eine „Gesundheitsvorsorge Aktiv“ (GVA) beziehungsweise über eine Rehabilitation nachdenken?

Die GVA ist eine präventive Maßnahme bei leichten Beschwerden. Wenn man merkt, dass sich ein Schmerz-zustand anbahnt, der sich ohne eine Verhaltensänderung weiter verschlimmern würde, dann ist eine GVA die richtige Wahl. Leidet man bereits unter massiven Schmerzen, welche die Lebensqualität beeinträchtigen und die Aktivität stark einschränken, dann sollte man eine Rehabilitation in Anspruch nehmen. Ganz wichtig: Eine Rehabilitation ist nicht nur nach einer Operation empfehlenswert, sie ist viel eher die Summe der Maßnahmen, die notwendig sind, um Menschen wieder an ihrem beruflichen und privaten Leben teilhaben lassen zu können.


In welchen Fällen sind aktive Therapien, in welchen passive Therapien die geeignetere Wahl?

Das ist eine Frage der individuellen Gestaltung des Therapieplans und kommt natürlich auch auf die Möglichkeiten der Patientinnen und Patienten an. Im Prinzip bringt die Summe der Maßnahmen den besten Erfolg – je mehr Rädchen man dreht, umso größer ist der Effekt. Es ist jedenfalls nie zu spät, um mit einem gezielten Präventions- beziehungsweise Therapieprogramm zu starten. An der eigenen Gesundheit zu arbeiten, hilft wesentlich!


Faszien als Auslöser für Rückenschmerzen

Dr. Kerstin Klimt, Ärztliche Leiterin Badener Hof

Was sind Faszien und wo befinden sich diese?

Faszien sind ein großer Teil des Bindegewebes und bilden das Grundgerüst des menschlichen Körpers. Sie bestehen hauptsächlich aus Wasser und den Strukturproteinen Kollagen und Elastin. Faszien sind vor allem für die Stabilität und Elastizität unseres Körpers verantwortlich und können in unterschiedliche Schichten eingeteilt werden: Oberflächliche Faszien bestehen hauptsächlich aus lockerem Bindegewebe, Fett, Nervenbahnen und Lymphknoten. Sie umkleiden unseren gesamten Körper wie ein Tauchanzug und sorgen dafür, dass dieser elastisch und geschützt ist. Die zweite Art, die tiefen Faszien, umhüllen Muskeln, Sehnen und Bänder und schützen die Muskeln vor Überdehnung. Viszerale Faszien umgeben wiederum die inneren Organe wie Brustkorb, Bauchfell oder Herzbeutel. Sie spielen auch eine wichtige Rolle für das Immunsystem und sind mit den Faszien des Bewegungsapparats verwachsen. Die letzte Art sind neurogene Faszien – die Faszien des Nervensystems, welche beispielsweise das Gehirn, das Rückenmark oder auch die peripheren Nervenbahnen umgeben. Auch sie sind mit den Faszien des Bewegungsapparats verbunden.


Warum können Faszien verkleben?

Faszienverklebungen entstehen häufig aufgrund eines Bewegungsmangels. Um diese Verklebungen zu lösen, sollte man darauf achten, dass der Nährstoffaustausch im Bindegewebe angekurbelt wird. Eine effektive und schnelle Methode dafür ist die Massage mittels Faszienrolle. Auch eine nährstoffreiche und ausgewogene Ernährung mit ausreichend Proteinen und Fettsäuren, Vitaminen und Mineralstoffen, ein ausgeglichener Säure-Basen-Haushalt und ausreichende Flüssigkeitszufuhr wirken sich positiv auf die Faszien aus. Das Vermeiden von Stress ist ebenfalls wichtig: Leidet man unter anhaltendem Stress, so stehen die Faszien unter dauerhafter Spannung und sie verhärten sich – das kann zu zahlreichen Bewegungseinschränkungen führen. Zusätzlich gibt es verschiedene faszienstimulierende Trainings wie Yoga, Qigong, Pilates, Tai-Chi oder Trampolinspringen.


Wie hängen Faszien mit Rückenschmerzen zusammen?

Unsere Faszien sind ein einzigartiges Netzwerk, in dem ein ständiger Informationsaustausch stattfindet. So kann beispielsweise eine Fehlstellung im Fuß zu einem Beckenschiefstand und anschließend zu Beschwerden im unteren Rückenbereich führen. Es kommt zu einer verspannten Rückenmuskulatur, wodurch die Patientin oder der Patient eine Schonhaltung einnimmt und möglicherweise auch Kopfschmerzen entwickelt. Die Beschwerden ziehen sich also wie ein roter Faden durch den gesamten Körper.


Was kann das Fasziendistorsionsmodell (FDM) innerhalb der Schmerztherapie leisten?

Die FDM-Therapie setzt dort an, wo Faszien durch Verletzungen, Unfälle oder Fehlbelastungen im Alltag beeinträchtigt wurden und damit zu Schmerzen und Funktionseinschränkungen führen. Mit speziellen Handgriffen beziehungsweise Manipulationstechniken wird die anatomische Struktur der Faszien wiederhergestellt. Damit kommt es relativ rasch zu einer Schmerzlösung und Schonungszeiten entfallen. In unserem Haus bieten wir die FDM-Therapie seit März 2023 an. Das Bewusstsein für Faszien wird bei unseren Patientinnen und Patienten immer mehr geschärft und sie lernen im Zuge der „Gesundheitsvorsorge Aktiv“ sowohl in den Bewegungseinheiten als auch in unterschiedlichen Workshops, wie sie ihre Faszien geschmeidig halten können und damit ihre Rückengesundheit verbessern.


Text: Michaela Neubauer | Fotos: beigestellt, iStock_Tigatelu

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