Wann, wenn nicht jetzt?

Mit Mitte Vierzig eine Ausbildung beginnen, in der Pension ein Start-up gründen, sich im Alter endlich ein eigenes Pferd kaufen: Wer erst später im Leben Neues wagt, braucht dafür Mut – und bereut es selten.

Mona Kühhas-Ortner mag es farbenfroh. In ihrem Schmuck verarbeitet sie viele überraschende Details.

Ihre Goldschmiedewerkstatt im Wohnzimmer verdankt Mona Kühhas-Ortner einem Grasbüschel. Unbeirrt bahnte es sich auf Monas Terrasse einen Weg durch Beton und Fliesen. Das war vor über elf Jahren. Erschöpft von ihrer Krebserkrankung und der Therapie hatte Mona damals viel Zeit, dem Gras beim Wachsen zuzusehen. „Da draußen bin ich stundenlang gesessen.“ Die 55-Jährige mit rot gefärbtem Pagenkopf sitzt auf einem knallgrünen Samtfauteuil neben ihrer Werkbank und deutet durch die Terrassentür. Ihre Sneakers sind pink, jeder Fingernagel in einer anderen Farbe lackiert. „Ich liebe es farbenfroh“, sagt Mona und lächelt. Im Sommer 2011 war ihr nicht zum Lachen zumute. Eine harmlos aussehende Beule am Schienbein entpuppt sich als bösartiger Tumor, Chemo- und Strahlentherapie und eine Operation folgen. Später wird ihr der gesamte Unterschenkel amputiert. Es war eine harte Zeit, in der die zweifache Mutter auch mit den Ängsten ihrer Kinder umgehen musste. Und mitten hinein in Sorge und Ungewissheit wächst das Gras auf der Terrasse. „Ich dachte mir, ich bin auch stark. So wie dieses Grasbüschel.“

 

Christine Mark 
Beraterin und Coach in Wien, 
www.christine-mark.com

 

„Man sollte nicht warten, bis alle Ängste weg sind, sondern trotz der Ängste einen Schritt setzen.“

Das ist das, was ich will 

Mona macht sich viele Gedanken darüber, was sie im Leben eigentlich will, und erinnert sich auf einmal wieder daran, wovon sie schon als junge Frau geträumt hat. Sie wollte Goldschmiedin werden – und schlug dann doch einen anderen Weg ein. Studium, Bürojob, Kind, Trennung vom Kindsvater. Alleinerziehend rückt ihr Traum von der Schmuckherstellung in den Hintergrund, wichtig war vor allem, finanziell abgesichert zu sein „Die Idee mit der Goldschmiedekunst habe ich lange Jahre vergessen.“ Bis sich mit der Krebsdiagnose alles ändert. Noch während der Therapie erkundigt sich Mona nach Ausbildungsmöglichkeiten zur Goldschmiedin. Mit ihrem heutigen Mann klärt sie, ob eine Ausbildung finanziell und zeitlich drinnen ist und meldet sich zum zweijährigen Lehrgang an. „Als ich dort das erste Mal an der Werkbank gesessen bin, wusste ich: Das ist genau das, was ich will.“ Zuhause richtet sich Mona eine Werkstatt ein. Mit massiver Werkbank und ledernem Brettfell darunter, das die feinen Silberreste, die beim Feilen und Schleifen hinunterfallen, auffängt. Mit Lötstelle und Hackstock, auf dem sie Schmuckstücke mit dem Hammer bearbeiten kann.

Veränderung in jedem Alter möglich

So wie Mona machen viele Menschen die Erfahrung, dass eine Krise zum Startpunkt einer Veränderung wird. „Wir verändern uns entweder aus einem großen Schmerz heraus oder weil wir große Ziele haben“, sagt Christine Mark. Als Coach begleitet sie Menschen, die es im Leben noch einmal wissen wollen, die auf der Suche nach dem sind, was ihr Herz zum Klingen bringt. Marks
Klientinnen und Klienten sind 30, 50 oder 60 Jahre alt. Sich einen Herzenswunsch zu erfüllen oder das Leben noch einmal umzukrempeln, sei an keine Altersgrenze gebunden. „Frühere Generationen hatten es da deutlich schwerer. Da betrachtete man das Leben schon mit 50 im Ausklingen. Heute ist es nicht mehr so unüblich, in späteren Jahren noch einmal Neues zu beginnen.“ Wobei, richtig leicht fällt es Menschen auch heute nicht. Einmal in der Komfortzone eingerichtet, verlässt man sie ungern. Dazu tragen Glaubenssätze bei, die man von Kindheit an internalisiert hat. Sätze wie „Was Hänschen nicht lernt …“ oder „Der Zug ist abgefahren“ oder „Dazu bin ich nicht gemacht“ haben sich oft tief eingebrannt und verhindern, mutige Schritte der Veränderung zu gehen. Und das egal, ob man mit 50 den Schritt in die Selbstständigkeit wagen, mit 60 mit dem Klavierspielen beginnen oder mit 70 das erste Mal vor den Traualtar treten möchte. 

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Text: Sandra Lobnig⎪Fotos: Barbara Nidetzky, Theresia Kaufmann

 

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