Die Kraft der Stille
Die Welt wird immer lauter. Zumindest empfinden das manche Menschen so und suchen nach Stille und Ruhe. GESUND & LEBEN hat sich angesehen, wie laut unser Leben tatsächlich ist, wie Lärm der eigenen Gesundheit schadet und wie Stille unser Wohlbefinden stärken kann.
Hier eine Baustelle, dort ein Kollege, der per Lautsprecher telefoniert. Der eine Nachbar mäht den Rasen, der andere bläst das Laub weg. Untertags der Verkehr, abends spielt die Musik im Gasthaus, in der Diskothek oder beim Dorffest. Mit anderen Worten: (zu) viel Lärm – leider oft um nichts. Auch Studien bestätigen, dass das Lärmaufkommen in den vergangenen Jahren zugenommen hat. Interessanterweise jedoch nicht jenes der eingangs erwähnten nicht vermeidbaren Lärmquellen. „Natürlich kann es temporär und regional zu höherem Lärmaufkommen im Bereich von nicht vermeidbaren Lärmquellen kommen. Im Durchschnitt aber ist diese Art des Lärms unter anderem aufgrund von Anti-Lärm-Maßnahmen weniger geworden“, weiß Dr. Bernhard Laback, Psychoakustiker an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.
Zugenommen hat indes der vermeidbare Lärm, denn dank Smartphone und Co. sorgen wir selbst sozusagen für Permanentbeschallung. Und so ist es eine berechtigte Frage, warum der Wunsch nach Stille stärker wird, während wir vermeidbaren Lärmquellen derart viel Platz in unserem Alltag geben.
Lärm schadet
Lärm kann aber nicht nur nerven, sondern sogar negative Auswirkungen auf die Gesundheit haben. In erster Linie denkt man hier an Schädigungen des Gehörs: So wird ab 85 Dezibel, über eine Dauer von acht Stunden, von gehörgefährdendem Lärm gesprochen, was bereits bei starkem Straßenlärm, lauter Musik oder einem Rasenmäher in sieben Metern Entfernung der Fall ist. Psychoakustiker Laback betont allerdings, dass die Dauer eine wichtige Rolle spiele: „Bei deutlich höheren Intensitäten kann bereits wesentlich kürzere Lärmeinwirkung Schwerhörigkeit verursachen. Zudem können Alkohol und Schlafmangel die Haarzellen im Innenohr – die primären Sinneszellen ebendort – schädigen und somit Hörschäden begünstigen.“ Darüber hinaus kann Lärm das Wohlbefinden massiv beeinträchtigen. Bei sogenannten extraauralen Lärmauswirkungen kommt es nämlich zu einer Stressreaktion des Körpers und damit zu einer erhöhten Ausschüttung des Stresshormons Cortisol. Das kann wiederum zu gesteigerter Herzfrequenz sowie Blutdruckzunahme führen und langfristig sogar lebensverkürzende Auswirkungen haben.
BUCHTIPP
Still: Die Kraft der Introvertierten
Susan Cain
ISBN: 978-3-442157648
Text: Christiane Mähr | Fotos: iStock_doit; Barbara Simunics_privat
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