Jetzt kümmere ich mich um mich
Gesunde Selbstfürsorge sollte etwas Alltägliches sein – nichts, das man auf das Wochenende oder den Urlaub verschiebt. Mit Egoismus hat das nichts zu tun.
Heute schon Pause gemacht, das Fenster geöffnet und tief die frische Luft eingeatmet? In aller Ruhe eine Tasse Tee getrunken, meditiert oder die Lieblingsmusik gehört? Negative Glaubenssätze entlarvt und stattdessen liebevolle Botschaften an das eigene Ich gerichtet? Selbstfürsorge hat unterschiedliche Gesichter. Wie auch immer sie aussieht – wesentlich ist, sie findet statt. Zwischendurch im Büro, zuhause mit Kleinkindern, mitten in der Pandemie. Für Mag. Heide-Marie Smolka, Psychologin und Glücksexpertin, hat Selbstfürsorge mehrere Dimensionen. Eine körperliche, eine seelische und eine mentale: „Was den Körper angeht, wissen wir meistens, wie gut es tut, uns zu bewegen und uns gesund zu ernähren“, sagt die Psychologin. „Genauso wichtig ist es, der Seele Gutes zu tun.“ Ein Spaziergang im Wald, das Treffen mit der besten Freundin oder ein lustiger Film: Was auch immer die eigenen Batterien auflädt, Zeiten der Selbstfürsorge sollte man sich regelmäßig gönnen.
„Wenn ich immer nur gebe, wird der innere Krug immer leerer.“
INTERVIEW | Mama, schau auf dich!
Selbstfürsorge sollte bei Müttern ganz oben auf der Prioritätenliste stehen, sagt Linda Syllaba, Autorin des Buches „Selfcare für Mamas“, www.beziehungshaus.at
Die Belastungen von Müttern werden immer öfter thematisiert, nicht erst seit der Pandemie. Was macht das Leben von Müttern denn so anstrengend?
In den meisten Familien sind die Mütter rund um die Uhr in der Verantwortung. Arbeiten, Kinder, Haushalt, Sport, Hobby und Hund: Das ist wahnsinnig viel. Dazu kommt, dass die Ansprüche, die Mütter heute an sich haben, sehr hoch sind. Sie wollen keine Fehler machen und sehen in den sozialen Medien, wie toll es alle anderen hinkriegen. Sich zu vergleichen ist sowieso das Ende der Zufriedenheit.
So viel zu tun, und dann kommt noch ein Punkt auf der To-do-Liste dazu: die Selbstfürsorge …
Selfcare sollte eigentlich ganz oben auf der Prioritätenliste stehen. Ich nenne das die Fürsorgehierarchie: Zuerst muss ich kommen. Nur wenn es mir gut geht, wenn ich gut genährt, ausgeschlafen, fit bin, kann ich mich auch gut um meine Kinder, meine Familie kümmern. Wie beim Sanitäterprinzip, da kommt auch Selbstschutz vor Fremdschutz. Wenn man sich lange vernachlässigt, kracht es irgendwann an allen Ecken und Enden. Übrigens: An zweiter Stelle kommt die Partnerschaft, erst dann die Kinder.
Also kein Egoismus, sondern Eigenverantwortung. Was raten Sie Frauen, die merken, dass ihnen die Kraft ausgeht?
Ein erster Schritt sollte immer sein, mit dem Partner – sofern es den gibt – darüber zu sprechen. Aber ohne dabei in die Vorwurfsfalle zu tappen! Einfach schildern, wie es einem geht, woran man alles zu denken hat, was zu tun ist. Die Perspektive des Mannes, der vielleicht 40 bis 60 Stunden außer Haus arbeitet, schaut dabei vielleicht ganz anders aus. Wichtig ist, das, was jeder tut, nicht gegeneinander aufzurechnen, sondern klar zu sagen, in welchen Bereichen man kämpft und Hilfe braucht. Dann kann man gemeinsam überlegen, wie man sich die Aufgaben besser aufteilen kann. Man könnte zum Beispiel sogenannte Ministerien zuteilen: Einer übernimmt das Ministerium Müll, der andere das Ministerium Einkaufen.
Ist Selbstfürsorge also mehr als das klassische Schaumbad oder die Tasse Tee am Abend?
Diese Klassiker können es natürlich auch sein, die einer Frau
guttun. Genauso wie das Thermenwochenende oder der Urlaub auf Bali. Vor allem helfen die alltagstauglichen Dinge, für die man nicht viel Zeit aufwenden muss. Letztlich läuft es auf Achtsamkeit hinaus, darauf, zu mir zurückzufinden. Nicht alles immer so schnell wie möglich zu machen. Auch ich war früher Weltmeisterin im Zwei-Minuten-Duschen. Heute nehme ich mir Zeit. Kinder können es aushalten, auch mal auf die Mama zu warten. Ganz wichtig ist, dass Selfcare jeden Tag stattfindet und nicht auf irgendwann verschoben wird. Es geht um einen liebevollen Umgang mit sich selbst.
Auch darin sind wir unseren Kindern Vorbild.
Text: Sandra Lobnig | Foto: istockphoto/Martin-DM, Vanessa Meyer, ZVG
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