Länger geistig fit
Rund 100.000 Menschen in Österreich sind von einer demenziellen Erkrankung betroffen. Eine österreichische Studie liefert nun ermutigende Ergebnisse, wie Spermidin gegen Altersvergesslichkeit helfen kann.
Manchmal basieren große wissenschaftliche Erkenntnisse auf Zufällen“, lächelt Univ.-Prof. Dr. Reinhart Jarisch, als er an die Anfänge seiner bahnbrechenden Studie denkt. Der Arzt, Allergologe und Gründer des Allergiezentrums Floridsdorf sollte eigentlich als passionierter Winzer einen Vortrag für das Bundesamt für Weinbau halten. „Vor Ort bemerkte ich, dass sich ohnehin schon mehrere Redner demselben Thema widmen wollten. Nachdem ich aber schon einmal da war, dachte ich mir, ich spreche einfach über Spermidin.“ Die Substanz zählt wie Histamin und Serotonin zu den sogenannten biologischen Aminen, wird vom menschlichen Körper selbst hergestellt, aber auch über die Nahrung aufgenommen. Der höchste Anteil von Spermidin, das seinen Namen seiner erstmaligen Entdeckung im männlichen Sperma verdankt, findet sich im Gehirn. „Für mich bedeutete das im Umkehrschluss, dass dieses Amin für das Gehirn wichtig sein muss“, so Jarisch, der sich in seiner Forschung schon seit Jahren mit dem Thema beschäftigt und von den positiven Auswirkungen auf gesundes Altern überzeugt ist. „Die Resonanz auf meinen Vortrag war nicht nur groß, sondern führte auch zu unserer großangelegten Studie in einer steirischen Seniorenheim-Gruppe“, sagt Jarisch.
„Ich empfehle jedem ab 50, mit spermidin-reicher Kost zu beginnen.“
Was kann Spermidin?
Bereits 1678 wurde Spermidin erstmals im menschlichen Sperma nachgewiesen, Berühmtheit erlangte das biogene Amin aber erst 2009 durch Dr. Frank Madeo. Der Molekularbiologe, Altersforscher und Professor am Institut für Molekulare Biowissenschaften der Karl-Franzens-Universität Graz entdeckte mit seinem Team, dass Spermidin die Alterungsprozesse im Organismus verlangsamen kann, indem es den Prozess der Autophagie, der körpereigenen Selbstreinigung, anregt. Unsere körpereigene Müllabfuhr sorgt dafür, dass eingedrungene Krankheitserreger, fehlerhafte Proteine, die zum Beispiel für neurodegenerative Prozesse relevant sind, oder nicht mehr funktionelle Zellbestandteile abgebaut und neu verwertet werden.
Ein weiterer spannender Effekt von Spermidin ist, dass es den systolischen Blutdruck senken kann. Auch auf die Augengesundheit wirkt sich Spermidin positiv aus: Durch seine antioxidative Wirkung konnte es im Mausversuch die Glaukoma-retinale Degeneration unterdrücken. Somit könnte sich Spermidin eventuell auch für die Langzeitbehandlung des Glaukoms beim Menschen anbieten.
Text: Claudia Sebunk | Fotos: S. Klein-Thieme, istockphoto: id-art
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