Neue Kraft tanken
Viele psychische und körperliche Krankheiten gehen mit Erschöpfung einher. In GESUND & LEBEN klären Experten auf, wie Erschöpfung entsteht und was Betroffene dagegen tun können.
Jede und jeder von uns kennt sie – Momente, in denen uns alles zu viel wird und wir uns ausgelaugt fühlen. Im Normalfall verfügt unser Körper über genügend Kraftreserven, um mit den Belastungen umzugehen. Wird die Erschöpfung jedoch zum Dauerzustand und lässt sich nicht mehr durch kurze Erholungspausen bewältigen, ist Vorsicht geboten: „Dem Hintergrund der Symptome sollte man auf jeden Fall so rasch als möglich auf den Grund gehen“, erläutert Prim. Assoc. Prof. PD. Dr. Martin Aigner, Abteilungsleiter an der Klinischen Abteilung für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin am Universitätsklinikum Tulln. „Erschöpfungssyndrome haben in der Medizin eine lange Geschichte und wurden erstmals vor rund 160 Jahren als Neurasthenie und Psychasthenie erfasst. Darunter verstand man eine neurologische und psychische Schwäche sowie eine geringe körperliche und psychische Belastbarkeit“, führt Aigner weiter aus. Viel habe sich seitdem innerhalb dieses Forschungsfelds getan und immer mehr Formen von Erschöpfung gelangten in den Mittelpunkt des medizinischen und gesellschaftlichen Interesses – vom Chronischen Erschöpfungssyndrom bis hin zu Burnout.
Burnout oder Depression?
„Leidet jemand über längere Zeit an Erschöpfung, braucht es vor allem eine differenzialdiagnostische Abklärung“, macht Aigner deutlich. So sei es nötig, emotionale Überlastung immer von psychologischer beziehungsweise psychiatrischer Seite beurteilen zu lassen, denn: „Oft steckt hinter einem vermeintlichen Burnout eine andere psychische Erkrankung, etwa eine Depression, eine Angststörung oder eine Substanzabhängigkeit, die es zu behandeln gilt.“ Darüber hinaus ist es problematisch, ein Burnout-Syndrom mit einer Erschöpfungsdepression gleichzusetzen, betont Aigner: Während der Begriff ‚Burnout‘ in der Öffentlichkeit oft als weniger stigmatisierend, sondern eher als eine Krankheit der ‚fleißigen Arbeitserbringer‘ empfunden wird, sind an Depressionen nach wie vor falsche Vorurteile wie Schwäche oder übertriebene Sensibilität geknüpft. „Diese Ansicht birgt im Umkehrschluss die Gefahr einer neuen Stigmatisierung depressiv erkrankter Menschen“, warnt Aigner.
Unterschiede Burnout & Depression!
Burnout-Syndrom
emotionale Erschöpfung
Zynismus und Distanzierung gegenüber dem Arbeitsplatz, Depersonalisation
verringerte Arbeitsleistung
häufig auch somatische Beschwerden wie Schlaflosigkeit, Kopf- und Rückenschmerzen oder Verdauungsprobleme
Depression
emotionale Erschöpfung
Zynismus und Distanzierung gegenüber dem Arbeitsplatz, Depersonalisation
verringerte Arbeitsleistung
häufig auch somatische Beschwerden wie Schlaflosigkeit, Kopf- und Rückenschmerzen oder Verdauungsprobleme
depressive Verstimmung
Verlust an Interessen und Freude
erhöhte Ermüdbarkeit
verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit
vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen
Schuldgefühle und Gefühle der Wertlosigkeit
verminderter Appetit
Schlaflosigkeit
negative Zukunftsaussichten
Sollten Sie unter zwei der genannten Symptome leiden, konsultieren Sie eine Ärztin, einen Arzt!
Text: Michaela Neubauer | Fotos: APA, istockphoto/ Khosrork
Mehr zum Thema „Neue Kraft tanken” erfahren Sie in GESUND & LEBEN 04/22.