Schlaf ist die beste Medizin

Ausgedehnte Nachtruhe hat ein schlechtes Image: Wer viel und lange schläft, gilt als Faulenzer. Laut der österreichischen Schlafforscherin Brigitte Holzinger ein Irrglaube: Guter Schlaf ist nämlich Wellness für Körper, Geist und Seele. 

Laut Studien hat jede beziehungsweise jeder zweite Schlafprobleme. Ein Alarmsignal für Dr. Brigitte Holzinger. Die Obfrau des Instituts für Bewusstseins- und Traumforschung, Psychotherapeutin für integrative Gestalttherapie und Lehrbeauftragte für Medizinisches Schlafcoaching an der Medizinischen Universität Wien weiß um die gesundheitlichen Folgen von kurzen Nächten: „Aus Schlafproblemen manifestieren sich oft Schlafstörungen. Sie sind die Ursache für viele Krankheiten und treten als Insomnie (Ein- und Durchschlafstörung), Parasomnie (Schlafwandel), Alpträume, Restless-Leg-Syndrom (unruhige Beine), Hypersomnie (Schlafsucht) oder Apnoe auf. Letztere ist eine atembezogene Schlafstörung – in Österreich sind 300.000 bis 400.000 Menschen davon betroffen.“ Zahlen, die wachrütteln. Denn guter Schlaf ist Fitnesscenter wie Jungbrunnen zugleich. Ist er gestört, haben Krankheiten, Bakterien und Viren ein leichtes Spiel. 

 

Dr. Brigitte Holzinger, Schlafforscherin

 

Fit, schön & schlank im Schlaf 

„Wer auf seinen Schlaf achtet, hat die besten Voraussetzungen für ein gesundes und langes Leben, denn hier beginnt der Körper viele wichtige Regenerationsprozesse: Entzündungen werden abgebaut, Heilungsprozesse starten und das Immunsystem arbeitet auf Hochtouren“, erklärt Holzinger. Auch die Putzkolonne im Gehirn ist nachtaktiv: „Hier regenerieren sich Gehirnzellen – die Gedächtnis-Konsolidierung ist für die psychische Gesundheit essenziell. Außerdem wird die Zellerneuerung angeregt – es kommt zu einem Anti-Aging-Effekt. Auch Emotionen werden Schlaf regeneriert – eine erholsame Nachtruhe sorgt für gute Laune am Morgen.“ Sogar Kilos würden im Traum schmelzen: „Die Bauchspeicheldrüse schaltet in der Nacht um. Wer vier Stunden vor dem Zubettgehen nichts mehr isst und keinen Alkohol trinkt, der die Fettverbrennung hemmen soll, nimmt im Schlaf ab.“ 
Sich gesund schlafen, sagt der Volksmund nicht umsonst. Guter Schlaf baut Erkrankungen vor und erspart die Einnahme von Medikamenten: Schlafmitteln, Antidepressiva und Pillen gegen Bluthochdruck sowie Diabetes.

 

Schlafmangel – am Steuer schlimmer als Alkohol

Schlaf ist für den Körper genauso wichtig wie gesunde Ernährung. Ohne nächtliche Erholungspausen können sich Organe nicht regenerieren und vor Infektionen sowie Krankheiten schützen. Schichtarbeiter und -arbeiterinnen können davon ein Leid klagen. Sie jobben in der Nacht und bekommen am Tag zu wenig Schlaf. „Die Folgen können sich in einer späteren Demenz, Bluthochdruck, einem erhöhten Brustkrebsrisiko bei Frauen und erhöhten Darmkrebsrisiko bei Männern zeigen“, weiß Holzinger. Auch Depressionen können zu Schlafstörungen führen – und umgekehrt. „Wer gegen seine innere Uhr lebt, wird unrund. Das könnte Depressionen fördern.“ Selbst einge Stunden Schlafmangel an wenigen Tagen hintereinander machen sich bemerkbar: durch das Nachlassen in puncto Konzentration, Reaktion, Erinnerungs- und Leistungsvermögen. Schon nach 24 Stunden erzwungener Wachsamkeit ist laut Untersuchungen die Fahrtüchtigkeit von Autolenkerinnen und -lenkern stärker beeinträchtigt als durch den Konsum der gesetzlich erlaubten Höchstmenge an Alkohol. Kein Wunder, dass parallel zu Müdigkeit die Gereiztheit steigt: Bei Schlafentzug werden die Hormone Adrenalin und Cortisol gebildet – Stress pur für den Körper.
Wer keine Krankheiten riskieren will, sollte die Schlafmedizin konsultieren.

 

Tipps für einen guten, erholsamen Schlaf 

  • Fixe Schlafenszeiten einführen: Ein guter Schlafrhythmus zeichnet sich dadurch aus, jeden Tag zu einer ähnlichen Zeit schlafen zu gehen und aufzustehen. 

  • Auf ein gutes Klima achten: Das Schlafzimmer soll dunkel, kühl und ruhig sein.

  • Träume brauchen Luft: Vor dem Zubettgehen das Schlafzimmer gut durchlüften. Frischluft optimiert den Sauerstoffgehalt des Raumklimas. 

  • Traumhaft liegen: Ja nach Schlafposition braucht es eine härtere oder weichere Matratze. Vor dem Kauf lohnt sich eine Schlafanalyse.

  • Hauptsache gut gebettet: Bauchschläfer benötigen ein möglichst flaches Kissen. Seitenschläfer ein voluminöseres. 

  • Cool down: Die Bettdecke darf nicht zu warm sein. Zwischen einer Winter- und Sommerdecke wechseln.

  • Handy & TV im Schlafmodus: Bildschirmaktivitäten zwei Stunden vor dem Schlafengehen beenden, damit das Gehirn zur Ruhe kommen kann. 

  • Im richtigen Licht: Lampen mit blauem Licht verzögern die Melatonin-Ausschüttung. Gelbliches und orangefarbiges Licht unterstützen hingegen den Übergang zum Schlaf.

  • Regelmäßiger Sport sorgt für ein gutes Körperempfinden. Damit verbessert Bewegung auch die Schlafgesundheit.

  • Einschlaf-Drink: Finger weg von Alkohol – er ist ein Schlafräuber. Beruhigend wirkt hingegen ein Heißgetränk eine Stunde vor der Nachtruhe.

  • Abendliche Null-Diät: Vier Stunden vor dem Zubettgehen nichts mehr essen – das fördert die Schlafqualität. Außerdem nimmt man so im Schlaf ab.


Text: Karin Lehner | Foto: Unsplash, Cochicphotography

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