Spitzensport trotz Diabetes
Er ist Olympiasieger und Weltmeister im Gewichtheben, Bestseller-Autor, Geschäftsmann und Typ-1-Diabetiker. Im Gespräch mit GESUND & LEBEN erzählt Matthias Steiner, wie seine Sportkarriere auch mit Diabetes gelang.
Rund 800.000 Menschen in Österreich sind an Diabetes erkrankt – der Großteil davon ist von Diabetes Typ 2 betroffen und damit von jener Zuckerkrankheit, die sich schleichend und häufig im Alter entwickelt. Aufgrund genetischer Veranlagung, Übergewicht und/oder mangelhafter Bewegung schafft dabei das körpereigene Insulin seine Aufgabe, Zucker aus dem Blut zur Energiegewinnung in die Zellen zu befördern, in immer geringerem Ausmaß. Ein weitaus kleinerer Teil, in Österreich rund 30.000 Personen, leidet hingegen an Diabetes Typ 1, bei dem das körpereigene Immunsystem die insulinproduzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse zerstört. Die Folge in beiden Fällen: Der Blutzuckerspiegel steigt und muss – entweder durch medikamentöse Behandlung und Umstellung des Lebenswandels oder durch Zufuhr von Insulin von außen – in Schach gehalten werden. Während sich Diabetes Typ 2 häufig erst ab der Lebensmitte entwickelt, tritt die Autoimmunerkrankung Diabetes Typ 1 oft bereits in jungen Jahren und von einem Moment auf den anderen auf.
„Ich dachte, mein Leben sei vorbei“
Matthias Steiner kann sich genau an den Tag erinnern, an dem er diese Diagnose hörte: „Es war einen Tag vor meinem 18. Geburtstag“, erzählt der Niederösterreicher, der später Schlagzeilen als Europameister, Weltmeister und Olympiasieger im Gewichtheben schreiben sollte: „Die Diagnose war zuerst ein Schock. Ich dachte für einen kurzen Moment, mein Leben sei vorbei.“ Mit Diabetes mellitus, so der Fachbegriff für jene Erkrankung, die auch als Zuckerkrankheit bezeichnet wird, hatte der knapp 18-Jährige bis dato keinerlei Berührung. „In meiner Familie gab es keine Betroffenen und ich war bis dahin immer kerngesund.“ Die Autoimmunerkrankung wurde durch einen grippalen Infekt ausgelöst. „Ich habe zunächst bemerkt, dass ich viel mehr Durst hatte“, so Steiner. Damals machte er einen besonders heißen Sommer dafür verantwortlich. Tatsächlich handelte es sich – auch in Verbindung mit erhöhtem Harndrang – bereits um ein erstes Anzeichen der Stoffwechselerkrankung, denn: Schafft der Körper es nicht mehr, den Zucker mithilfe des Insulins aus dem Blut in die Zellen zu transportieren, führt dies bei beiden Typen der Zuckerkrankheit zu einem erhöhten Blutzuckerspiegel.
Technischer Fortschritt
Während Diabetes Typ 2 medikamentös mit Antidiabetika, einer Ernährungsumstellung und mehr Bewegung behandelt wird und auch geheilt werden kann, ist Diabetes Typ 1 unheilbar, Betroffene müssen ihrem Körper ein Leben lang Insulin zuführen. „Die ersten 15 Jahre musste ich mir für die Blutzuckermessung noch täglich in die Fingerkuppe stechen und das Insulin mit dem Pen spritzen, aber auch das war schon sehr viel leichter als früher, als Betroffene für die Messung zum Arzt mussten und das Insulin über große Spritzen verabreicht bekamen. Heute haben Typ-1er dagegen luxuriöse Bedingungen“, erläutert Steiner und spricht damit Sensor und Insulinpumpe an. Beides trägt der ehemalige Spitzensportler heute. Sein am Oberarm befestigter Sensor misst kontinuierlich den Glukosewert im Unterhautfettgewebe und sendet die Werte über einen Transmitter an Handy und Smartwatch. „So sehe ich jederzeit meine Glukosewerte und kann selbst entscheiden, wann ich Insulin zuführen muss“, erklärt Steiner. Dieses erhält der ehemalige Spitzensportler über die Insulinpumpe. Sie wird direkt am Körper getragen und enthält einen Insulinvorrat, aus dem über einen dünnen Katheter das Insulin subkutan abgegeben wird. „Beides sorgt dafür, dass mein Alltag viel besser planbar ist und ich ein unbeschwerteres Leben führen kann.”
Text: Claudia Sebunk | Fotos: Mario Andreya
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