Auf leisen Tönen

Der vierjährige Anton kennt 200 Tiere, beherrscht Englisch und das ABC. Im Alltag findet er sich jedoch schwer zurecht, denn Anton ist Autist.

Betritt man das lichtdurchflutete Haus von Familie Mayer in Biberbach, wird man herzlich begrüßt. Anna öffnet die Tür, hinter ihr flitzt der älteste Sohn Mattheo vorbei und fängt gleich an zu erzählen. Vom Salto, den er am Trampolin macht. Und vom neuen Pool im Garten. Auch Annas Ehemann Lukas ist zuhause. Und dann kommt Anton aus dem Wohnzimmer. Er geht an allen vorbei. Er sagt nichts und sieht niemanden an. Der Vierjährige lebt in seiner eigenen Welt. Denn Anton ist Autist.

Diagnostik-Marathon

Wenn man die helle Küche der Familie betritt, ist es ganz leise. Keine Musik dröhnt aus dem Radio. Reize sind etwas, womit Anton schwer umgehen kann. Genauso wie spontane Planänderungen, die seinen gewohnten Tagesablauf durcheinanderbringen. Dabei war alles einmal ganz anders: Bis Anton 14 Monate alt ist, entwickelt er sich normal, erzählt seine Mama Anna. Bis der blonde Bub an einer Mittelohrentzündung leidet: „Danach war nichts mehr wie zuvor“, erinnert sich die Mostviertlerin. Der Bub reagiert nicht mehr auf seinen Namen. Anna glaubt zunächst, dass Anton gehörlos sei. Das ist nicht der Fall, er leidet aber an sogenannten Paukenergüssen im Ohr. Von Woche zu Woche fällt mehr davon weg, was Anton eigentlich schon kann. Anna und Lukas bekommen es mit der Angst zu tun: „Er hat uns nicht mehr angesehen, nicht mehr gesprochen.“ Mit 17 Monaten wird Anton schließlich am Trommelfell operiert. Kurze Zeit später wird er neurologisch auffällig. Ein Termin bei einer Neurologin bringt schließlich Klarheit: Sie vermutet, dass Anton im Autismus-Spektrum ist. Danach folgt ein wahrer Diagnostik-Marathon, bis endgültig fest steht: Anton leidet an frühkindlichem Autismus.

Man geht achtsamer mit allem um und nimmt viel mehr wahr. Ich gehe nicht mehr so blind durch die Welt. Es ist ein Geschenk.
— Antons Mama Anna

Was ist Autismus?

Autismus (Frühkindlicher Autismus, Autistische Störung, Asperger Syndrom usw.) ist eine tiefgreifende Entwicklungsstörung, der komplexe Störungen des zentralen Nervensystems zugrundeliegen – insbesondere im Bereich der Wahrnehmungsverarbeitung – und die bereits im Kindesalter beginnt. In Ihrem Zentrum steht eine schwere Beziehungs- und Kommunikationsstörung. Die Auswirkungen behindern auf vielfältige Weise die Beziehungen zur Umwelt, die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft und die Fähigkeit zur Eingliederung in die Gesellschaft, da sowohl kognitive als auch sprachliche, motorische, emotionale und interaktionale Funktionen betroffen sind. Es gibt trotz umfangreicher Forschung bislang noch keine Erklärung, die vollständig und schlüssig die Entstehung der autistischen Störung belegen kann. Nach dem heutigen Wissensstand ist Autismus nicht heilbar.


Text: Daniela Rittmannsberger | Fotos: Daniela Führer
Mehr zum Thema „Auf leisen Tönen” erfahren Sie in GESUND & LEBEN 09/22.

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