Essen nach der Uhr
Diäten gibt es viele. Meist bedeuten sie Verzicht auf bestimmte Nahrungsmittel und sind auch nur für einen gewissen Zeitraum gedacht. Ganz anders ist das Intervallfasten. Hier darf man sich in den Essenszeiten alle Lieblingsgerichte gönnen.
Und das Beste daran: Diese Diät ist wirksam, nachhaltig – und macht uns nebenbei auch noch gesünder.
Lilly hat eine große Familie, das Abendessen ist nicht nur gemeinsame Nahrungsaufnahme, sondern auch Treffpunkt und Plauderstunde. Diese Mahlzeit ist also ein Muss für sie, als Frühstück hingegen reicht ihr auch eine Tasse schwarzer Kaffee. Tom arbeitet körperlich schwer, ohne ein gutes kräftigendes Frühstück startet er nicht gerne in den Tag. Und Mona schließlich hat viele berufliche Events, die mit Essenseinladungen einhergehen. An den Tagen ohne Termine kann sie gut und gerne auf Mahlzeiten verzichten.
Flexibles Konzept für jeden Typ
Drei Menschen, drei komplett unterschiedliche Routinen und trotzdem gibt es ein Ernährungskonzept für alle: das Intervallfasten. Denn das Besondere an dieser speziellen Form des Fastens sind die vielen verschiedenen Modelle (siehe Kasten). Gleich ist, dass man, anstatt zu jeder beliebigen Tages- und Uhrzeit zu essen, nur innerhalb eines gewissen Zeitraums Nahrung zu sich nimmt. So kann man zum Beispiel 8 Stunden am Tag essen und 16 Stunden fasten. Ob man dabei Frühstück oder Abendessen auslässt, kann jeder individuell entscheiden. Andere bevorzugen die 5:2-Methode, das heißt, sie essen an fünf Tagen in der Woche ganz normal und reduzieren ihre Kalorien an zwei Tagen auf ein Minimum. Beim „Alternate Day Fasting“ schließlich wechseln sich Fasten und Essen tageweise ab.
Fans des Intervallfastens betonen, dass sich dieses besser in den jeweiligen Alltag integrieren lasse als viele andere Diäten und daher erfolgreicher sei.
Bevorzugte Intervalle
Tatsache ist: Nach und nach verliert man so Gewicht, wobei aus medizinischer Sicht manche Methoden zu bevorzugen sind. Kerstin Schallaböck ist Allgemeinmedizinerin in Wien und kann die Ernährungsweise prinzipiell empfehlen: „Gut ist jene Variante, die einen Tag Essen und einen Tag Pause beinhaltet, am allerbesten die 8-Stunden-essen-16-Stunden-fasten-Methode.“ Geht es darum, ob man die Mahlzeit am Abend oder am Morgen auslässt, empfiehlt die Medizinerin das Weglassen des Abendessens. „Gerade morgens muss man in Schwung kommen, und Nahrung ist gleich Energie.“ Zudem haben Untersuchungen gezeigt, dass frühe Mahlzeiten besser verstoffwechselt werden und den Blutzuckerspiegel im Vergleich zum Abendessen weniger stark ansteigen lassen. Übrigens, auch wenn man sich in der Essenszeit schon satt essen darf, sollte man dennoch nicht maßlos sein, schließlich zählt natürlich immer die Gesamtkalorienzufuhr.
Essenspause für die Fettverbrennung
Noch wichtiger als die Menge an Essen ist für Kerstin Schallaböck aber die Pause zwischen den Mahlzeiten. „Diese sollte auf jeden Fall vier Stunden sein.“ Dabei geht es um den Blutzucker. „Bei jedem Mal essen wird Insulin ausgeschüttet, und dieses hemmt die Fettverbrennung.“ Isst man also über den Tag (oder den gewählten Zeitraum) verteilt permanent Kleinigkeiten wie Nüsse, Salat, ein Shake oder Obst, wird andauernd Insulin ausgeschüttet und behindert die Fettverbrennung. „In langen Pausen ohne Essen kann der Körper dann auf die Fettreserven zurückgreifen“, erklärt die Ärztin. Normalerweise nutzt unser Körper Kohlenhydrate als schnelle Energiequelle. Während des Fastens bezieht er seine Energie dann aber nicht mehr wie üblich aus diesen, sondern aus den Fettzellen. Dadurch werden Fettdepots abgebaut und das Körpergewicht sinkt.
„Wenig essen, damit sich der Körper darum kümmern kann, alte Ablagerungen selbst aufzufressen.“
Dünner und gesünder
Dass die Methode geeignet ist, um Gewicht zu reduzieren, kann durch Studien belegt werden. Aber auch die positiven Auswirkungen auf die Gesundheit. So hat etwa eine kontrollierte Studie der Universität Graz kürzlich die Vorteile der Methode aufgezeigt. Die Probanden aßen 36 Stunden nichts, darauf folgte eine zwölfstündige Phase, in der sie ohne Einschränkungen Nahrung zu sich nehmen durften. Auf diese Weise reduzierten sie ihre Kalorienzufuhr um fast 40 Prozent. Der Erfolg nach vier Wochen: eine Abnahme von durchschnittlich 3,5 Kilo. Das Intervallfasten zeigte neben dem Gewichtsverlust noch andere erfreuliche Aspekte: Mit der Gewichtsreduktion war auch der Blutdruck gesunken. Die Cholesterinwerte, Entzündungsparameter und die Werte für Bauchfett verbesserten sich. Dieses Fett gilt als Hochrisikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Infarkte.
Schlagwort Autophagie
Das intermittierende Fasten stimuliert außerdem die Autophagie. Aus dem Lateinischen übersetzt bedeutet „auto“ selbst und aus dem Griechischen „phagein“ verdauen. Dabei handelt es sich um ein Notfallsystem in Hungerperioden sowie um einen Prozess der Reinigung und Erneuerung der Zellen. Schallaböck: „Durch das Fasten werden die schmutzigen Zellen aufgebraucht und dann die Zellerneuerung angeregt. Das Prinzip heißt also: Wenig essen, damit sich der Körper darum kümmern kann, alte Ablagerungen selbst aufzufressen. Durch diesen Prozess soll auch die Alterung verlangsamt werden.“
Langfristiger Erfolg
Insgesamt verspricht das intermittierende Fasten also erfolgreiche Gewichtsabnahme und günstige Gesundheitseffekte. Ein weiterer Bonus: Das beliebte Ernährungskonzept lässt sich gut durchhalten, da die langen Essenspausen starke Blutzuckerschwankungen verhindern. Die Folge: Fastenfans haben weniger Hunger und leiden auch seltener unter Heißhungerattacken. „Die Fastenmethode scheint noch einen weiteren Vorteil gegenüber anderen Diäten zu haben. Studien zeigen, dass auch nach dem Beenden der Jo-jo-Effekt seltener auftritt als bei anderen Diäten“, erklärt Schallaböck. Ihr Fazit: „Das Intervallfasten ist also eine Methode, die sich langfristig zum Abnehmen eignet.“
Intervallfasten – Was muss ich beachten?
Folgende fünf Fragen werden in der Praxis am häufigsten gestellt. GESUND & LEBEN hat die Antworten.
Kann ich während der Fastenphase Kaffee trinken?
Ja, wenn man ihn schwarz und ohne Zucker trinkt. Koffein wirkt sogar als Appetitzügler. Weiters erlaubt: Wasser und alle Sorten Tee.
Ist Alkohol erlaubt?
Ja, wenn er im Fenster der Nahrungsaufnahme konsumiert wird. Aber: Alkohol ist ein Genussmittel und sollte nur in Maßen getrunken werden.
Darf man im Essfenster alles zu sich nehmen?
Prinzipiell ja, aber auch beim intermittierenden Fasten gilt die Energiebilanz – ist sie positiv, isst man also mehr, als man verbraucht, nimmt man zu. Schlemmerorgien sollten also tunlichst vermieden werden!
Zählt Schlaf zur Fastenphase?
Ja. Die Fastenphase ist jene, in der man keine Kalorien aufnimmt. Also auch die Schlafenszeit.
Was tun, wenn man das Fasten-Zeitfenster nicht durchhält?
Langsam beginnen und die Stundenzahl ohne Nahrungsaufnahme behutsam, aber kontinuierlich steigern.
Text: Heike Kossdorff | Fotos: iStock_ Joboy O G; MTA; Studio Horak