Im Einklang mit der Natur

In jedem Menschen steckt eine emotionale Verbindung zur Natur. Die Natur wirkt nicht nur beruhigend, sondern bietet auch Raum, um zu sich selbst zu finden.

Der Blick über die Berge. Das Eintauchen in den kühlen See. Der Sand unter den Füßen. Bunte Blumen und blühende Bäume. Es sind beliebte Szenarien in der Natur, die wir mit Erholung verbinden. Und die beliebtesten Motive, die wir auf Fotos festhalten und auf sozialen Netzwerken veröffentlichen. Urlaub, Flitterwochen, Sport, geselliges Beisammensein – viele Menschen verbringen diese Zeit im Freien. Wir verbinden positive Momente mit der Natur. Kein Wunder: Biophilie, die Liebe zum Lebendigen, steckt von Geburt an in jedem von uns.


Verbindung zur Natur angeboren

In den 1960er-Jahren führte der Psychoanalytiker Erich Fromm den Betriff Biophilie – altgriechisch für Leben und Liebe – in seinem Buch „Die Seele des Menschen“ ein. Einige Jahrzehnte später stellte der Biologe Edward O. Wilson seine Biophilia-Hypothese auf: Allen Menschen ist eine emotionale Verbindung mit der Natur angeboren. In der Evolution hatten jene Menschen, die ihre Umgebung aufmerksam beobachteten, einen Überlebensvorteil. Und da es in uns steckt, verwundert es auch nicht, dass wir uns immer wieder nach der Natur sehnen – sei es im Garten, bei einem Spaziergang, beim Sport oder im Urlaub. Der Kontakt mit Bäumen & Co wirkt beruhigend und stressabbauend. Kranke Menschen, die aus ihren Fenstern in Gärten sehen, werden nachweislich schneller gesund. Biologin Chang Cia-Chen untersuchte mit einer Forschungsgruppe Bilder aus sozialen Medien. Ihr Resümee: Natur und schöne Erinnerungen sind unmittelbar miteinander verbunden. Besonders schöne Erlebnisse finden oft in der Natur statt. All diese Erkenntnisse stehen in einem Gegensatz zum achtlosen Umgang mit der Natur. Die Klimakrise verändert die Erde – schwindet die Natur, verlieren Menschen auch wichtige Orte für positive Erlebnisse. Biophilie steht auch für den Wunsch, Wachstum zu fördern. Dazu gehört das Wachstum des Menschen, einer Idee, einer sozialen Gruppe – oder eben auch das Wachstum von Pflanzen.

 

Joe Knauer, Visionssuchebegleiter, St. Andrä-Wördern (NÖ)

 

„Die meisten Menschen schöpfen Ruhe und Kraft aus der Natur. Dieses Wissen ist in uns angelegt. Das vergessen wir nur oft in Krisen und ziehen uns zurück.“


Krise führt in den Wald

Dass viele Menschen vergessen haben, dass sie selbst Teil der Natur sind, davon ist Joe Knauer überzeugt. Dabei kann die Natur eine Kraftquelle sein: „Die meisten Menschen schöpfen Ruhe und Kraft aus der Natur. Dieses Wissen ist in uns angelegt. Das vergessen wir nur oft in Krisen und ziehen uns zurück.“ Der gebürtige Tiroler führt Menschen zurück in die Natur und zu sich selbst – in Form der sogenannten Visionssuche. Dabei begibt sich Knauer mit einer kleinen Gruppe auf eine zwölftägige Reise an die Baumgrenze im Lavanttal in Kärnten. Dort beziehen sie eine Almhütte. Joe Knauer und seine Kollegin Daniela Maiwald bereiten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf eine viertägige Solo-Zeit allein im Wald vor. „Die Menschen lernen, wie man mit einer Plane einen Unterschlupf baut, wie man sich im Wald orientiert und wie man sich bei Gefahren wie zum Beispiel einem Gewitter verhält.“ Sich selbst in der Natur zurechtzufinden und sich achtsam in der Natur zu bewegen haben die meisten von uns leider verlernt, fügt er hinzu. Mit im Gepäck haben die Menschen ein persönliches Thema, das der eigentliche Grund für die Visionssuche ist: Eine Lebenskrise oder der Übergang in eine neue Lebensphase sind oft Auslöser, die dazu führen, so eine Erfahrung machen zu wollen. Ein wesentlicher Aspekt der Vorbereitungszeit ist die persönliche Standortbestimmung: „Fragen, wo man im Leben steht und was man in seinem ‚emotionalen Rucksack‘ mitnimmt, werden besprochen. Oft geht es dabei um Lebensmuster, die man auf einer Visionssuche rituell hinter sich lassen möchte“, erklärt Knauer. Damit die Menschen nicht plötzlich alleine im Wald von einer Sinneskrise überrascht werden und um ihr oft im Unterbewusstsein verborgenes Anliegen herauszufinden, bekommen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer täglich eine Aufgabe. Mit dieser Aufgabe im Gepäck begeben sie sich auf eine Wanderung in der Natur. Das Erlebte wird im Kreis geteilt und reflektiert. Nach der Vorbereitungszeit ist es so weit: Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer verbringen eine Auszeit in der Natur. Jeder Teilnehmer bzw. jede Teilnehmerin sucht sich einen Platz, der nicht weiter als eine halbe Stunde von der Basis entfernt ist. Knauer und Maiwald beziehen ein Basecamp auf einer Lichtung im Bergwald. Ausgestattet sind die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit Wasser, einem Schlafsack, einer Iso-Matte und einer Plane. Nahrung, Kontakt zu anderen Menschen und ein Zelt sind während dieser Zeit tabu. Diese Tabus seien jedoch keine Regeln, sagt Joe Knauer, die Menschen verzichten freiwillig darauf. Jeweils zwei Menschen sind sogenannte Buddies, die sich verpflichten, ein Zeichen zu legen, wenn es ihnen gut geht. Dieses Zeichen überprüft der jeweils andere. Fehlt das Zeichen, sucht der Buddy das Basislager auf. Jeder Teilnehmer bzw. jede Teilnehmerin selbst kann jederzeit in das Basislager kommen. All das sind wichtige Rahmenbedingungen: „Die Visionssuche findet in geschütztem Rahmen statt. Es ist kein Überlebenstraining.“

Nach der Visionssuche tauschen sich die Teilnehmenden miteinander aus und erhalten eine neue Sicht auf das Leben.

 

LERNRAUM WALD

Andreas Stöckl, BEd, „Bewegte Klasse“-Betreuer bei der „Tut gut!“ Gesundheitsvorsorge

 

Andreas Stöckl, BEd, „Bewegte Klasse“-Betreuer bei der „Tut gut!“ Gesundheitsvorsorge

 

Warum ist der Wald so wichtig für Kinder?
Kinder können sich im Wald ausleben. Sie entdecken vieles, forschen und bauen. Die Sinne werden geschult. Die Kinder werden ruhiger und entfernen sich von begrenzten Räumen. Auf der anderen Seite stärkt die Zeit im Wald das soziale Miteinander. Besonders wichtig ist das koordinative Training, das sich automatisch ergibt, da es mal bergauf, mal bergab geht. Der Wald ist ein großer Spielplatz, der nichts vorgibt.

Was können Kinder in der Natur lernen?
Sie lernen im Wald vor allem, wie man mit der Natur umgeht. Es geht viel um das Thema Achtsamkeit. Auch das Thema Müll spielt eine Rolle, denn wir finden immer wieder achtlos weggeworfenen Müll. Darüber reden wir dann auch.

Wie wirkt sich die Natur auf die körperliche und psychische Entwicklung  der Kinder aus?
Auf körperlicher Ebene ist es die koordinative Sicherheit, die im Wald entsteht. Das können banale Dinge sein, wie die Frage, wie man sich sicher durch den Wald bewegen und das Gleichgewicht halten kann. Auf psychischer Ebene hilft es den Kindern, ganz im Hier und Jetzt zu sein und ruhiger zu werden. Die Sinne werden geschult und Soft Skills wie Vertrauen werden gebildet. Wenn Kinder den Wald entdecken und sich kreativ ausleben, leben sie ganz im Moment. Durch neue Erfahrungen findet eine Verhaltensänderung statt. Viele Kinder denken nach einem Vormittag im Wald anders über die Natur. Es wird ein Bewusstsein geschaffen. Wenn man als Kind den Wald und die Natur als große Ressource kennenlernt, kann das ein Wegweiser für das restliche Leben sein.


5 TIPPS: Im Einklang mit der Natur

  1. Jahreszeiten bewusst wahrnehmen
    Achten Sie beim Spazierengehen darauf, welche Pflanzen am Wegesrand blühen, welche Farbe die Blätter der Bäume haben oder wann wie viel Schnee liegt.

  2. Eigene Landschaft kennenlernen
    Naturverbunden leben beginnt mit der Natur am eigenen Wohnort. Bei Spaziergängen und Wanderungen entdecken Sie die Natur rund um sich neu. Und Sie können sich mit Ihrem Heimatort auseinandersetzen – den Flüssen, den Pflanzen und der Geschichte.

  3. Wetter fühlen
    Wenn Sie draußen unterwegs sind, nehmen Sie sich einen Moment Zeit, um das Wetter bewusst wahrzunehmen: den Wind, die Wärme der Sonnenstrahlen oder die Schneeflocken auf dem Gesicht.

  4. Natürlich essen
    Versuchen Sie, so viele naturbelassene Zutaten wie möglich zu essen. Achten Sie darauf, welches Gemüse gerade Saison hat und aus der Region stammt.

  5. Tiere und Pflanzen
    Welche Bäume wachsen in der Nähe Ihres Zuhauses? Lauschen Sie den Vögeln im Garten und entdecken Sie „Unkraut“ neu – einiges können Sie als Salat oder Pesto verwenden.

WEITERLESEN im ePaper


Text: Daniela Rittmannsberger | Fotos: iStock_Sylvia Becerra Gonzalez, Joe Knauer; Tut gut Gmbh, Philipp Monihart
Mehr Themen für Ihre Gesundheit erfahren Sie in GESUND & LEBEN.

 

hier NEWSLETTER bestellen

〰️

hier NEWSLETTER bestellen 〰️

Zurück
Zurück

Gesund in die Zukunft

Weiter
Weiter

So messen Sie Ihren Blutdruck richtig