Harmonischer Austausch
Schlechte Kommunikation in der Partnerschaft kann die Liebe schleichend zerstören. Wie lassen sich Missverständnisse und Konflikte überwinden?
Wenn Amors Pfeil uns mitten ins Herz trifft und uns in den Bann eines scheinbar unwiderstehlichen Menschen zieht, können romantische Gefühle den Verstand vernebeln. „Im Rausch der Verliebtheit haben unrealistische Bilder viel Platz, weil das Kritikzentrum im Gehirn ausgeschaltet ist. Die Vorstellungen, die man sich vom Partner, der Partnerin macht, sind eher unbewusste als bewusste. Es kann passieren, dass wir auf diese Weise einen Partner wählen, der überhaupt nicht zu uns passt“, erklären die Wiener Paartherapeuten Sabine und Roland Bösel. Wenn die erste Verliebtheit verflogen ist, bricht eine neue Phase der Beziehung an. An die Stelle des Feuerwerks vergänglicher Emotionen treten Vertrauen, beständige Liebe und ein Gefühl der Geborgenheit. In dieser Zeit können sich erste Gefühle der Ernüchterung oder auch Enttäuschung über das Wesen des Partners einstellen, was diese Phase besonders anfällig für Konflikte und Trennungen macht. Damit das Fundament der Liebe langfristig Bestand hat, ist wertschätzende Kommunikation und ein gewisses Maß an Selbsterkenntnis nötig. Die meisten Beziehungskonflikte würden von vergangenen Erfahrungen beeinflusst, erklärt Sabine Bösel: „Das Verhältnis ist in etwa 90:10. Nur rund zehn Prozent sind dem aktuellen Anlass zuzuordnen. Die restlichen neunzig Prozent lassen uns oft überreagieren. Dieser riesige Teil stammt aus der Vergangenheit, und vieles sogar noch aus der Kindheit.“ Roland Bösel ergänzt: „Es hilft, zu wissen, was man selbst als Kindheitsthema mitgebracht hat. Also sich bewusst zu sein, woher man kommt und was man aufgrund seiner Erziehung und Sozialisierung weiterschleppt. Und es geht darum, den Partner, die Partnerin dabei als Verbündeten bzw. Verbündete zu erleben.“ Eine Strategie, um konflikthafte Situationen zu entschärfen, sei die offene und ehrliche Kommunikation mit dem Partner. „Wir sollten unserem Gegenüber klar sagen können, wo wir unsere wunden Punkte haben und ihn oder sie bitten, nicht genau da so stark draufzudrücken.“
„Unstimmigkeiten nicht bagatellisieren“
Wie können Paare ihre Beziehung pflegen bzw. verbessern?
Roland Bösel: Paare tun tendenziell wenig für ihre Beziehung. Mittlerweile gibt es aber Paare, die ein- oder zweimal im Jahr prophylaktisch und ohne Krise zu uns kommen, etwa zu einem Paarseminar. Wichtig ist, sich einzugestehen, dass ein Konflikt da ist und die Unstimmigkeiten nicht zu bagatellisieren. Statt zu sagen: „Wir haben eh kein Problem“, sollten Paare lieber mehr in die Kommunikation gehen. Es ist hilfreich, sich als Paar Rituale zu schaffen und diese zu fixen Gewohnheiten werden zu lassen. Das können ganz bestimmte Zeitfenster sein, etwa wie jeden Donnerstagabend.
Wie können Beziehungsstreitigkeiten entschärft werden?
Sabine Bösel: Sorgen machen wir uns besonders dann, wenn Paare gar nicht mehr streiten. Streitigkeiten sind an sich nichts Schlimmes. Es wäre keine gute Strategie, das Streiten zu verhindern. Doch jeder Streit sollte sich auf das beziehen, worum es tatsächlich gerade geht, und zwar in der Gegenwart. Schädlich ist es hingegen, beim Streit die letzten zehn Streits und deren Anlässe wieder auszupacken. Ein Thema auszustreiten und am Ende eine kreative Lösung zu finden, funktioniert gut. Es ist hilfreich, ein 5:1-Verhältnis einzuhalten. Das bedeutet, sich für jeden Wutausbruch fünf nette Aufmerksamkeiten für das Gegenüber einfallen zu lassen.
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Text: Jacqueline Kacetl | Fotos: iStock_dragana991, S. Fürtbauer
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